51. Von den beyden Abgöttern [58] Sole vnd Crodone.95

Der Abgott Sol, so in der alten Stad Soltwedel gestanden und den die Heyden in diesen Landen angebetet, war ein halb Mensche, trug in beyden Henden vor der Brust ein gros Rad mit brennenden Flammen vnd hatte einen breyten Kopff mit gelben glentzenden Stralen zum Zeichen, daß er solte einen Schein geben, damit sich Jederman darin besehen köndte. Der Abgott Crodo hat ohne Zweifel den Namen vom Griechischen Κρόνος, das ist Saturnus, also daß der Buchstabe N in D verwandelt vnd der letzte Buchstabe davon hinweggeworffen worden.[58]

Es ist aber dieser Teuffelßkopf, so zu Gardeleben gestanden vnd von Carolo Magno gleich dem Abgott Sol zerstöret worden, also gestalt gewesen. Ein alter vnd magerer Mann hat auff einer Seulen mit barem Haupt vnnd bloßer Brust auf einem Barßfisch mit spitzigen gestreubten Fischfedern gestanden. Ist nur mit einem leinen weißen Kleide angethan vnd darüber mit einem schwebenden Fechel begürtet gewesen. In der rechten Hand hat er gehalten einen Eymer mit Wasser, Rosen vnd andern Früchten, in der linken Hand hat er ein Rad geführet.

Dieses Bildnis vnd Abgotts Bedeutung ist zweyerley. Etliche sagen, daß er auff der Seulen stehe, bedeute, daß alle, die jhn ehreten, wolten auff festen Füßen stehen. Daß er barfuß auff dem Barßfisch stehe, solle bedeuten, daß sie lieber barfuß auff scharffen Schermessern gehen, als sich Jemand zu eigen ergeben solten. Dann der leinen Schortz solte eine Anzeigung sein, daß sie von jhrem Gotte Saturno her frey weren vnd sich gegen ihre Verfolger, gleich wie der Barsch gegen den Hecht streuben vnnd aufflehnen solten. Das Radt solt bedeuten, daß sie sich gleich wie ein Radt in einander schließen vnd zusammenhalten solten. Das Wasser im Eymer solte bezeichnen, daß dieser Abgott were eine vrsache der Kälte, die Rosen, daß er were ein fruchtbarer Brun der Früchte, denen so seine Macht darumb anruffen, daß die Kelte jhren Früchten nicht schadete.

Andere geben diese Bedeutung. Durch die Blöße des Haupts vnnd Hertzens, sagen sie, haben die alten Heyden dem Bilde vnnd Gottesdienst Saturni nachgeschlachtet, vnnd zugleich daneben anzeigen wollen, daß jhm als einem Gotte mit entblößtem Haupte vnnd aller Reuerentz auch vnuerdecktem vnd vnerhobenem Hertzen solle gedienet werden. Durch die freyschwebende kleidung vnnd Fechel erinnerten sie sich jhrer Freyheit, darfür sie mit darstreckung Leibes vnnd Gutes streiten, vnnd sich wider jhre Feinde, gleich wie der Barsch gegen den Hecht, streuben vnd wehren solten. Dazu denn von Nöten, daß sie gleich wie ein Radt sich in einander fölgerten, in einen Bund schlössen, vnnd für einen Mann zu Hauffe hielten, wie durch das Radt in der linken Hand erinnert ward. So vermahnete sie auch das weiße vnnd mit dem Fechel oder Bande vmbschürtzte Kleid, daß sie in jhrem Verbündniß vnnd Freundschafft rein, ohne Flecken, Betrug vnd Falsch sein, vnnd vnaufflößlich zusammenhalten solten. Der Eymer aber mit Wasser, Rosen vnnd andern Blumen vnnd Früchten gefüllet, bedeute, daß Saturnus vnnd Crodo wohl ein Ursach der Kelte (wie denn der Planet Saturnus gemeiniglich Kelte bringt) aber dennoch ein Gott der Fruchtbarkeit were, der die blüende Rosen vnnd andere Früchte wachsen ließe, darumb man jhn vmb gut gedeyen aller Früchte vnd für Abwendung schedlicher Kelte anruffen vnd ehren solte.

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Nach Angelus S. 32.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 58-59.
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