69. Historia und Bericht von der Magd, die zu Frankfurt an der Oder Geld gefressen.117

[86] Im Sommer des Jahres 1536 hat sichs zugetragen, daß eine Magd, Marx Fischer's Tochter zu Lebus, mit Namen Gertrud, vom leidigen Teufel, der in eines Kriegsmanns Gestalt zu ihr gekommen, sey angeredet worden, so sie seinen Willen würde thun und ihn lieben, so wollte er ihr soviel Geldes verschaffen, daß sie dessen überflüssig sollte bekommen und haben. Was geschieht, sie als eine einfältige Magd läßt sich leicht überreden und sagt ihm zu, was er von ihr begehret. Bald aber darauf läßt er sich in anderer Gestalt sehen und besitzet sie von Stund an leibhafftig. Derhalben, damit sie desto besser mit Beten von den Geistlichen und von dem gemeinen Volke möchte geholffen werden, ward sie gen Frankfurt an der Oder (weil Lebus nur eine Meile Weges davon liegt) gebracht, und der Rath daselbst verordnete ihr gute Wartung und starke Wache, damit sie ihr selber nicht am Leib und Leben Schaden zufügte.

Dieses ist aber ganz wunderbar, dergleichen nie gehöret noch erfahren, auch in keinen Historien oder Chroniken beschrieben, daß, wenn sie an eine Mauer, Wand, Tisch, Bank, Rock, Bareth oder dergleichen Ding griff, bekam sie die Hand voll Geldes, mancherley Müntze, doch die dazumal im Lande gänge und gäbe war, als Märkische, Pommerische, Meißnische, Polnische, Preußische, Böhmische Groschen und Pfennige. Ja, was noch mehr zu verwundern ist, wenn sie das Geld also in die Hand bekam, ließ sie es dabei nicht bleiben, sondern fuhr damit alsbald zum Maul zu, zerkäuet es, daß mans hörte knirschen, that auch oftmals das Maul auf, steckte die Zunge heraus, ließ das Geld im Maul sehen und schluckte es zuletzt ein. Nun trieb sie solches etliche Wochen und geschahe nicht scheinweise, wie mit den Gauklern geschieht, die Flachs fressen und Feuer ausspeien, sondern die Münze, die sie fraß, war ächt und wahrhaftig. Denn die Leute, so bei und um sie waren, und die Bürger, welche oft auf den Stadthof, da sie verwahret ward,[86] gingen, ergriffen ihr die Hände, brachen dieselben mit großer Stärke und Gewalt auf, ehe sie damit zum Maul kam, und nahmen ihr das Geld, unangesehen, daß sie darüber sehr zornig ward, schrie und sich übel stellte. Zuletzt wenn sie irgend einen Angriff that, erwischte sie Nadeln und fraß die auf. Zudem führte sie seltsame wunderliche Reden, wie sie da und dort gewesen, dieses und jenes ausgerichtet, und lachte überlaut dazu, als wenn sie gar wohl gethan hätte.

Dieses ist zwar ein seltsam Wunder, aber eine gewisse und wahrhaftige Geschichte, daraus zu ersehen, daß der Teufel durch Gottes Verhängniß und Zulassen auch wunderliche Dinge thun kann.

Es ist aber ein noch viel größer Wunder, das darnach folgte. Denn obwohl die Papisten, welche zu der Zeit noch das Kirchenregiment inne hatten, einen Exorcisten oder Teufelsbanner holen ließen, und er, der Exorciste, sich's mit seinem Beschwören und Bannen ließ sauer werden, die Magd auch oft im Weihwasser badete: jedoch war Alles vergeblich, und die Magd oder vielmehr der Teufel aus ihr trieb Gespötte daraus.

Es war auch dazumal zu Frankfurt ein evangelischer oder Lutherischer Prediger, mit Namen Andreas Ebert, von Grünberg aus Schlesien bürtig, welcher Lutherum zu Wittenberg gehört und von etlichen frommen Bürgern auf Zulassen seiner Churf. Gnaden zu Brandenburg unterhalten ward. Dieser Herr Andreas, da die Papistischen mit ihren Exorcismus und Beschwörungen nicht konnten fortkommen, that auf Dr. Luthers Rath (denn an den hatte er's schriftlich gelangen lassen) in der Gemeine Gottes täglich Fürbitte für sie, und ließ sie in alle Predigten, die er that, führen. Und obwohl unter der Predigt der Teufel viel Ungemachs trieb und oft ein groß Geplärr und Geschrei machte, auch den Prediger Lügen strafte, sonderlich wenn des Herrn Christi gedacht ward, ward doch gleichwohl die Magd mit Verleihung göttlicher Gnaden durch der Christen Vorbitte erledigt, und diente hernach zu Frankfurt noch lange Zeit. Wenn sie aber hernach gefraget ward, wie ihr geschehen wäre, antwortete sie, sie wüßte nirgends von und wie ihr geschehen wäre oder was sie gethan hätte.

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Nach Angelus S. 324.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 86-87.
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