96. Warum zu Bernau, Stargard und Prenzlau keine Schlangen sind.147

[99] Zu Oderberg lassen sich zu gewissen Zeiten des Jahres keine Schlangen finden, da sie doch zu andern Jahreszeiten daselbst häufig anzutreffen sind. Auch in den Gegenden der Adelichen Dörfer Grünthal und Sydow sind gar keine solche Kreaturen anzutreffen. Auch sind keine zu Arnsdorf, einem Universitätsdorfe 21/2 Meile von Frankfurt, und in der da herum liegenden Gegend, ob sie wohl zu Dämnitz, eine halbe Meile von diesem Arnsdorf, häufig anzutreffen; desgleichen keine in und um das Städtchen Teltow, so gar daß wenn schon die Störche etliche hinführen und etwa herabfallen lassen, solche dennoch sterben, auch nicht zu Trebatsch, einem Dorfe eine Meile jenseits Besekow an der Spree, auch nicht bei Trampe, dem Herrn Grafen von Sparr zuständig, auch bei Stremmen in der Inspection Wusterhausen, so weit man die Glocken hören kann. Um auch größerer Oerter zu gedenken, so wird von Wriezen gleichfalls gemeldet, daß daselbst und in den Grenzen kein solches Ungeziefer zu spüren, so weit als der Schall der dortigen großen Glocke gehe.[99] Welche Bewandtniß es auch haben soll, zu Bernau, auf deren Feldmarken ebenfalls, soweit als die sogenannte Bürgerglocke kann gehört werden, nicht allein keine Schlangen, sondern auch keine Nattern sich antreffen lassen, außer alle 7 Jahre etwa ein Stück oder drei. Davon giebt man diese von Alters her bekannte Ursache, daß, als man diese Glocke gegossen und die nach damaligem Gebrauche erbetenen Pathen Silber, Erz etc. dazu verehrt, ein altes Weib dazu gekommen und gesagt, weil sie nichts dazu verehren könnte, so wollte sie doch etwas schenken, und mit dem eine lebendige Schlange und Natter in den Guß mit einlaufen lassen, mit dem Bedeuten, daß die damals häufig gewesenen Schlangen und Nattern sich verlieren würden, welches denn auch geschehen. Auch sagt man, daß, als im vorigen Jahrhundert die Glocke einen Riß bekommen und nicht gezogen werden können, dieses Ungeziefer sich häufig wieder eingefunden, welches sich aber Anno 1649, da diese schadhafte Glocke in der Stadt wieder umgegossen und geläutet worden, sogleich bald wieder verloren. Welche Sage viel Aehnlichkeit hat mit dem, was von der Stadt Stargard in dem Königl. Preuß. Pommern mit diesen Umständen erzählt wird, daß, wie die Glocken zu S. Marien daselbst gegossen worden, man Schlangenfett mit untermenget, um das Gut, welches zum Gießen sich nicht bequemen wollen, desto leichter zu zwingen. Nachdem aber solche Glocke zum ersten Mal geläutet worden, so hat man allenthalben innerhalb einer Meile um die Stadt todte Schlangen gefunden, und haben sich die Schlangen dermaßen verloren, daß, obgleich die Glocken nachdem (wiewohl von eben dem Gut) wieder umgegossen worden, sich dennoch keine wiedergefunden; man weiß auch bis dato von keinen Schlangen, als zwei Meilen von Stargard in der Friedrichswaldischen Haide. Es haben auch zwar etliche Apotheker einige Schlangen lebendig, so sie mit Weizenkleie fütterten und fettmachten; sie hielten aber solche in finstern Kellern und ist gleich ihnen das Gift benommen, so daß sie alsdann ganz zahm werden, sie sterben aber, sobald sie herausgesetzt werden. Von Prenzlau, der Hauptstadt in der Uckermark, hat man eben die Sage, daß um Prenzlau herum, so weit man die große Glocke hören kann, keine Schlangen anzutreffen sind und erzählt man, daß ihrer vor diesem eine große Menge dagewesen, sie wären aber von einem Mann, der das Leben verwirkt gehabt, aber sich erboten sie wegzubringen, wenn man's ihm schenken wollte, alle vertrieben worden. Allein dieses Vorgeben ist ungegründet, dergestalt als man sowohl auf dem Felde und nahe bei der Stadt, als auch in der Stadt selbst zum Oefteren Schlangen angetroffen hat.

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Nach Beckmann, Th. III. S. 832 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 99-100.
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