306. Der Ring der Familie von Veltheim.375

[252] Im 12. Jahrhundert in den Jahren 1119-1125 ist ein gewisser Rötger von Veltheim Erzbischof von Magdeburg und der erste der Magdeburgischen[252] Bischöfe gewesen, der sich in seinem Titel von Gottes Gnaden schrieb. Er soll des gleichnamigen Rütger von Veltheim und eines Fräulein von Lengsfeld Sohn gewesen sein. Derselbe dürfte der erste Besitzer des berühmten, noch heute in der Veltheim'schen Familie als eine Art Talisman bewahrten Ringes, mit dessen Erhaltung in der Familie gleichsam das Gedeihen derselben bedingt sei, gewesen sein. Es ist ein für einen sehr großen Finger gemachter Ring aus gutem Ducatengolde und stellt zwei Obertheile von Drachen vor, welche den Kasten, worin ein Diamant, ein achteckiger Spitzstein, dessen Seiten allein geschliffen sind und 215/32 Karat wiegt, gefaßt ist und halb außer-halb innerhalb dessen steht, in ihren Rachen halten. An beiden Hauptseiten des Kastens stehen schwärzliche, sechsblättrige Rosen, welche von Stahl gemacht zu sein scheinen und in deren Mitte kleine Rubinen eingefaßt sind. Die beiden Nebenseiten sind mit kleinen Rubinen besetzt und die in den Drachenköpfen befindlichen vier Augen ebenfalls mit dergleichen Edelsteinen bemerkt. Der Kasten selbst ist viereckig und, wie gedacht, mit schwärzlichen Rosen und kleinen Rubinen geziert. Die äußere Fläche des Ringes ist nicht, wie sonst gewöhnlich, abgerundet, sondern die Schärfen und Kanten sind breit, so daß drei Flächen im Zirkel herumgehen, jedoch wird der Zirkel durch den Kasten mit dem Steine unterbrochen. Sowohl auf diesen drei äußern Flächen, als auch auf der innern sind einige Charaktere gestochen oder eingegraben, welche zum Theil aus unbekannten, zum Theil aus solchen Buchstaben bestehen, die den großen Lettern des griechischen und lateinischen Alphabets ähnlich sind. Man hat sich viele Mühe gegeben dieselben zu entziffern, allein bis jetzt ist es noch Niemand gelungen. Sie lauten nämlich: Gug Gug Baltebani, Alpha et Omega. Ezer ave Ejer. Ave Eagam. Man hat nun das Alter des Ringes verschieden bestimmt und ihn bald ins 12., bald in 15. Jahrhundert gesetzt. Da nun jener Erzbischof angeblich so glücklich gewesen ist, den Körper des heiligen Märtyrers Secundus, Anführers der Thebanischen Legion aufzufinden und er diese kostbare Reliquie sehr hoch und heilig hielt, so hat man behaupten wollen, er habe sich aus Freuden über den Fund des Beati Thebani oder des Cucubal Toebani (welche Namen sich aus den Anfangsworten der Ringschrift mit geringer Veränderung oder Versetzung der Züge leicht herausbringen lassen) einen Gedenkring machen lassen und in der Inschrift sein Gebet zu dem neu entdeckten Heiligen gerichtet. Wie dem nun aber auch sein mag, sicher ist es, daß die Familie der von Veltheim den Ring als einen Geschlechtsring heilig aufbewahrt.

Nach einer andern Sage soll in alten Zeiten ein unbekannter Reisender zu einer Wittwe von Veltheim, welche zu Herbke wohnte, gekommen, von derselben wohl aufgenommen und bei der ihm daselbst zugestoßenen Krankheit liebreich verpflegt worden sein. Dieser Fremde habe daher vor seinem Absterben seiner gütigen Pflegerin zur Bezeugung seiner Dankbarkeit diesen Ring hinterlassen, mit der Versicherung, daß so lange derselbe bei der Veltheimschen Familie verbleiben und mit aller möglichen Sorgfalt werde aufgehoben werden, auch das ganze Veltheim'sche Geschlecht in unverrücktem Flor und Wohlergehen sich erhalten werde.

In Herbke befindet sich nun heute noch das Originalporträt eines gewissen Burchard von Veltheim (geb. 1579, gest. 1625), auf welchem derselbe[253] am Mittelfinger der rechten Hand denselben trägt. Nach der Tradition nun haben sich dessen zwei Söhne, Josias und Gottschalk, bei der Theilung der väterlichen Güter jener das Gut Osterau, dieser hingegen das Gut Herbke gewählt, aber sich über den Besitz des Ringes, auf welchem eine besondere Segenskraft ruhen sollte, nicht vereinigen können und schließlich sich dahin verglichen, daß Josias den in einen neuen goldenen Ring gefaßten Stein des rechten Geschlechtspalladiums, Gottschalk hingegen, welcher der Urheber des Streites und der dadurch herbeigeführten Trennung des Ringes war, den Kasten desselben an sich nehmen und aufbewahren solle.

Den Gottschalk von Veltheim und seine Nachkommen betraf nun mancherlei Unglück und Widerwärtigkeit. Mit Hempko von Veltheim, Gottschalks Sohn, starb 1681 die männliche Linie des Hauses aus, nachdem dessen Geschwister, eine Schwester ausgenommen, schon vorher aus der Welt gegangen waren. Das Gut Herbke fiel aber an Josias von Veltheim zurück. Helena, Gottschalks einzige Tochter, war Besitzerin des Kästchens von dem Ringe. Sie wurde 1684 an den Brandenburgischen Obersten Christian oder Christoph Friedrich von Pfuhl auf Gielsdorf vermählt, welcher aber bald nachher bei der Belagerung der Stadt Kaiserswerth durch eine Bombe das Leben einbüßte; seine Wittwe brach 1713 ein Bein und starb 1727. Alle diese und mehrere andere Unglücksfälle wurden der Trennung des fatalen Ringes zugeschrieben.

Josias, welcher daran unschuldig war, erlebte zwar mehr Glück, aber auch verschiedene Unglücksfälle. Sein Sohn Otto Ludwig litt viel von Krankheiten, verlor die meisten seiner Kinder und war beständig in beschwerliche Prozesse verwickelt. Seine Gemahlin, Armgard Amalie geborene von Bartensleben, eine vortreffliche Dame, machte vertraute Freundschaft mit der obgedachten Oberstin von Pfuhl und beide Frauen erinnerten sich bei ihren Zusammenkünften sehr oft des dem Geschlechte zugestoßenen mannigfachen Unglücks, wovon sie natürlich die Ursache der Trennung dieses Ringes zuschrieben. Hierdurch ward endlich die Frau von Pfuhl bewogen, der Frau von Veltheim den Kasten zu schenken und sie zu bitten, dafür zu sorgen, daß von nun an Ring und Stein nie wieder getrennt werden möchten. Dies ist auch geschehen, in ihrem Testamente vom 18. November 1738 verordnete besagte Armgard Amalie, daß dieser Ring beständig bei dem Veltheim'schen Geschlechte und zwar insonderheit auf dem Gute Herbke verwahrt bleiben sollte, und unseres Wissens ist dieser Verordnung bis heute getreulich nachgekommen worden.

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Nach Reinhard, Beiträge, Bd. II. S. 156 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 252-254.
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