367. Von dem Abgott Zuttiber zu Merseburg.451

[326] Die Ureinwohner der Stadt Merseburg haben heidnischen Göttern gedient, so dem Mars und der Venus, deren Tempel hier gestanden haben und von denen der erstere der Stadt den Namen gegeben hat: Martisburgum.452 Sie haben auch die Sonne, den Mond und das Feuer angebetet, davon zeugt noch der Name des Dorfes Lunau oder Leina. Sie haben auch die Isis als eine Erfinderin des Getreides und guten Bieres verehret, so wie die Vesta, von der das Dorf Vesta an der Saale den Namen hat. Sie haben ferner dem Abgotte Irmensaul gedient, der vorzeiten an dem Orte des St. Petriklosters seinen Anbetern sich dargestellt hat. Insonderheit haben aber die Bürger zu Merseburg und die Landschaft um diese Stadt den Zuttiber als einen Wald- oder Holzgötzen geehrt und demselben einen Eichenwald geheiligt, darin Niemand bei Verlust seines Lebens einen Baum noch[326] Ast abhauen durfte, nicht weit von der hohen Brücke, dahin zu gewisser Zeit des Jahres viele Wenden und andere Heiden von nahen und fernen Orten zusammengekommen und dem Zuttiber geopfert, auch denselben angebetet haben. Darzu waren gewisse Priester bestellt, die ihre sonderbaren Ceremonien bei den Opfern gehalten. Solcher Eichenwald nebst dem Götzen ist bis auf die Zeit Wyberti III. Bischofs zu Merseburg im Stande gewesen, welcher im Jahre 1008 diesen Wald und Abgott niederhauen und verbrennen ließ. An derselben Stelle hat er aber die Kapelle des heil. Romanus gebaut und von dem genannten Eichwalde hat man hernach auf lange Zeit bis tief in das 16. Jahrhundert hinein etliche lange, dicke eichene Bäume, Stöcke und Stifte in den Ufern der Saale, zumal wenn das Wasser hell war, stecken sehen.

451

Nach Vulpius S. 46.

452

Spangenberg, Mansfelder Chronik c. II. f. 2, sagt aber, Mars sei der sechste König der alten Deutschen gewesen, der kurz vor Noah's Tode hier gewohnt habe. Sein Name komme her von »mehren« oder von »Meer, Marsch«. Hier hätten ihn das ägyptische Königspaar Isis und Osiris besucht und ihm das Bierbrauen, den Ackerbau und die Viehzucht gelehrt. Später hätten jedoch die alten Bischöfe, um das Gedächtniß an den heidnischen Gott zu vertilgen, hier dem heil. Martinus eine Kapelle gebaut und von diesem als Schutzherr die Stadt Martensburg oder Martinopolis genannt. Noch Andere sagen, hier sei einst die Juno, welche die Griechen Hexe nannten, verehrt und der Ort Heresberg genannt worden, das Volk aber habe aus der Redensart: »thom Eresberg« oder »ick gah tho dem Eresberge« gemacht: »ick gah tho dem Meersberge«, und hieraus sei mit der Zeit Merseberg oder Merseburg geworden.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 326-327.
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