376. Die Sage von der heil. Kunigundis.462

[330] Es hat der Kaiser Heinrich II. oder der Lahme seine Gemahlin, die Kaiserin Kunigundis des Ehebruchs beschuldigt. Dieselbe aber hat ihre Keuschheit mit dem Tragen von glühenden Pflugschaaren bewiesen, indem sie sagte: »Ebenso unschuldig ich Eures Leibes bin, ebenso unschuldig bin ich auch an allen andern Männern und beweise meine Unschuld mit den glühenden Pflugschaaren, die sollen meinem Leibe nicht schaden.« Darauf hat sie ein glühendes Pflugschaar nach dem andern mit bloßen Händen herausgenommen und dieselben in Gegenwart des Kaisers, wie auch seiner Hofbedienten und vielen Volkes glühend bei Seite getragen, so ihr im Geringsten nicht geschadet, durch welches Mirakel der Kaiser bewogen worden ist, ihr auf den Knieen eine Abbitte zu thun. Diese Historie ist zu Merseburg in der Domkirche am Eingange unter dem Glockenthurme zur rechten Hand oder an der Seite gegen Mittag in Stein gehauen zu sehen. In der Domkirche wird aber in demselben Gemach, wo sich die abgehauene Hand Rudolphs von Schwaben befindet, der Mantel, den die heil. Kunigundis damals getragen, aufbewahrt und man sagt, daß wenn eine Frau unfruchtbar sei und nach einem Gebete zu der Heiligen denselben berühre, dann segne sie Gott und sie bekomme Kinder. Zum ewigen Gedächtniß ist am Eingange der Domkirche zur rechten Hand eine Frau mit einem Pflugschaar in der Hand in Stein gehauen zu sehen und dies ist die Kaiserin.

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S. Brotuff, Chronicon II. 5. Gebr. Tzschimmer, Vermehrter Sleidanus Bd. III. S. 64.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 330.
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