474. Der Zauberer Johannes Saxonicus zu Halberstadt.558

[401] Zu Halberstadt in Sachsen ist ein gelehrter Dompfaffe gewesen, Johannes Saxonicus oder Johann Teutsch geheißen, ein gewaltiger Schwarzkünstler. Der hat einst im Jahre 1271 in der Christnacht, wann ein jeder Pfaffe drei Messen thun muß, die erste zu Halberstadt gehalten, die andere zu Mainz und die dritte zu Cöln, und dabei ist er auf einem Pferde von einer Stadt zur andern geritten. Von diesem Manne erzählt Johannes Agricola in seinen Sprichwörtern, er sei eigentlich der Bastard eines Geistlichen gewesen, weil er aber ein sehr gelehrter Mann war, so ist er wegen seiner außerordentlichen Kunst und Geschicklichkeit zu einem Kanonikat in Halberstadt, einer Stelle, wozu sonst nur Leute von Adel oder wenigstens Leute aus gesetzlicher Ehe entsprossen zugelassen zu werden pflegten, befördert und erhoben worden. Weil er aber seiner Geburt und Abkunft halber von seinen Collegen verachtet ward, hat er einstmals ein herrliches Convivium oder Gasterei angerichtet und dazu seine gedachten Collegen alle eingeladen, und als es einmal die Gelegenheit gegeben, da hat er sie gefragt: ob sie auch gern ihre Väter sehen möchten? Da sie ihm hierauf zur Antwort gaben: ja, Meister, wenn's sein könnte, so möchten wir sie gern sehen, hat er durch seine Zauberei etliche unförmliche und ungestaltete Gespenster hervorgebracht in Gestalt und Person eines Kochs, Reiters, Narren, Bauern und dergleichen gemeiner Leute, da sie denn selbst bekannt haben, daß sie deren Gestalten auch solche Gesichter früher wirklich in ihrer Väter Häusern gesehen hätten. Zuletzt hat Johann Teutsch auch seinen Vater hervorgebracht, in Gestalt und Form eines Domgeistlichen, mit einem großen fetten Bauche. Als nun die Gespenster wiederum verschwunden waren, da hat er die Gäste gefragt, wessen Vater sie nun für den Vornehmsten hielten? Sie aber waren zum Theil vor Furcht erschrocken, zum Theil auch durch die Beschimpfung schamroth geworden. Deswegen entgegneten sie ihm nichts darauf, sondern nahmen ihren Abschied und gingen ein Jeder nach seinem Hause, allein seit dieser Zeit waren sie dem Johann Teutsch seiner Geburt und Herkommen wegen nicht mehr böse.

Das ist wohl auch derselbe Zauberer gewesen, der im Jahre 1272 nach Kreuznach aus Niederdeutschland kam, auf öffentlichem Markte seinem Knechte den Kopf abhieb und über eine gute Stunde später dem Körper, der auf[401] der Erde lag, wieder ansetzte. Man sah ihn daselbst oft mit Hunden in der Luft herumfahren, mit lautem Jägergeschrei, nicht anders, als wenn eine rechte Jagd angestellt und vorhanden wäre. Man sah ihn auch oft einen geharnischten Mann mit Pferd und Rüstung, manchmal auch ein Fuder Holz oder Wein mit Wagen und Pferd einfressen und verschlingen. Johannes Teutsch ist aber schließlich vom Blitze erschlagen worden.

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S. Lercheimer S. 114. Remigius Bd. II. S. 218. 274.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 401-402.
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