688. Die Stiftung des Klosters zu Freckenhorst.802

[668] Zu der Zeit König Ludwigs des Deutschen lebte ein sehr reicher Ritter Namens Ewerword, der den größten Theil des heutigen Münsterlandes als Eigenthum besaß. Derselbe besaß eine Frau, aber keine Kinder. Da begab es sich, daß einst sein Schäfer Frikyo schlaflos bei seinem Vieh in der Hürde lag, die auf einem Berge knapp in dem zum Ewerword'schen Schlosse gehörigen Forste stand, und ein großes schönes Licht sah, welches durch den Busch und über die ganze Gegend leuchtete. Es wurde von Nacht zu Nacht größer, wenn aber der Hirt bei Tage den feurigen Platz betrachtete, fand er Alles wie ganz gewöhnlich. Als eines Tages der Voigt zu ihm kam, entdeckte er sich diesem, welcher ihm aber alle Furcht ausredete und seinem Herrn erzählte, was er gehört hatte. Ewerword staunte, betete zu Gott und sendete einige seiner Ritter ab, die Nacht in dem Forste zuzubringen. Sie sahen aber das Licht noch schöner und größer und eilten zu ihrem Herrn zurück, um ihn davon zu unterrichten und ihn zu bitten, sich selbst von dem Wunder zu überzeugen. Dies geschah auch; Ewerword zog mit großem Gefolge hin und schlug daselbst sein Lager auf. In der Nacht aber erblickte er vor sich ein blendendes Licht in Gestalt eines wunderlichen klaren Hauses und durch die Mitte des Feuerhauses stieg eine Figur wie die eines Mannes und nahm an einer Seite das Maß desselben nach der Größe des Lichts, welches da schien. Am andern Tage fanden aber die Herren den Boden an jener Stelle wie von einem Blitze gedörrt, so breit und lang als das Licht geschienen und der Wundermann gemessen hatte. Die Erscheinung währte bis zum Morgen; Ewerword aber lag in frommem Gebete, und als der Tag anbrach, da entschlief er und hörte im Schlafe eine Stimme vom Himmel rufen: »Ich Petrus, ein Apostel Gottes, habe als ein wahrer Zimmermann das Fundament des Tempels gelegt, sieh Du zu, Ewerword, wie Du darauf bauest!« Als Ewerword erwacht war, fiel er auf seine Kniee nieder und dankte Gott für seine Gnade; dann aber ließ er auf den Rath des Bischofs Lutbertus von Mimigarde den Wald lichten und erbaute hier eine Kirche zu Ehren des h. Petrus. Beim Aufgraben des Fundamentes aber soll man einen Stein mit den eingedrückten Fußtapfen des h. Petrus gefunden haben. Lange Zeit ist aber dieser Stein aufbewahrt worden, bis er endlich verschwunden ist. Diese Kirche ist aber vermuthlich die jetzt zu einem Holzmagazin umgeschaffene Petrus-Kapelle, denn die eigentliche Kirche ist jünger (v.J. 1129).

Da nun aber trotz der frommen Stiftung die Ehe Ewerword's kinderlos blieb, so beschloß er um die Kirche herum ein vollständiges Kloster zu erbauen und pflanzte in den dabei angelegten Garten einen Aepfelbaum, den seine Großmutter einst aus dem dürren Stabe des Apostels Bonifacius gezogen hatte. Hierauf zog er nach Fulda und starb als Mönch in dem Kloster, wo die Gebeine dieses heiligen Mannes ruhen; seine Gemahlin Gewa aber ging in das von ihm gestiftete Kloster zu Freckenhorst und starb hier als Aebtissin. Ihre Nachfolgerin war die von ihr als Tochter angenommene Thiatildis. Letztere liegt in ihrer Kapelle begraben, und man zeigt noch in einem tiefen Gewölbe der Abtei ihr Grab neben einem der[669] Sage nach grundlosen Brunnen. Es ist viereckig aufgemauert, mit einem hölzernen Deckel einfach zugedeckt und steht jetzt ohngefähr in der Mitte des Gewölbes. Früher soll er sich von Westen nach Osten bewegt haben und jährlich einen Hahnenschritt weiter gekommen sein. Auffallend ist es jedenfalls, daß gläubige alte Leute erzählen, in ihrer Jugend sei der Zwischenraum zwischen der östlichen Mauer und dem Grabe kaum einen Fuß breit gewesen, da er doch jetzt mehrere Schritte breit ist.

Im J. 1669 ließ Bernhard von Galen die Gebeine der h. Thiatildis aus ihrem steinernen Sarge nehmen und in einem prachtvollen silbernen Sarge auf's Neue bestatten, welcher gegenwärtig noch vorhanden ist und jährlich in Prozession umhergetragen wird. Auch dieser silberne Sarg soll sich in neuerer Zeit um einen Schritt fortbewegt haben.

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S. Münsterische Geschichten S. 45 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 668-670.
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