722. Die ungetaufte Glocke.838

[686] Vor langen Jahren wurde zu Warendorf auf dem Thurme der alten Kirche eine neue Glocke aufgehangen, die Glocke hatte man aber nicht getauft. Als man nun mit derselben zu läuten anfing, da kam mit einem furchtbaren[686] Heulen und Geschrei der Teufel durch die Luft geflogen, holte die Glocke von dem Thurme und warf sie eine halbe Stunde weit von der Stadt in die Ems, in einen tiefen Kolk, der der grundlose Kolk heißt. In diesem liegt sie noch, der Kolk ist aber so tief, daß noch kein Mensch bis auf den Grund hat fühlen können. Daß aber die Glocke noch darin ist, kann man an den vier hohen Festtagen hören, denn wenn dann des Abends in der Stadt mit allen Glocken geläutet wird und man wirft einen Pfennig in den Kolk, so fängt auch die ungetaufte Glocke tief unten an zu läuten.

838

S. Stahl Th. I. S. 112.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 686-687.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band