750. Das Eierlesen.

[673] (S. Egler S. 229.)


Im Hohenzollerschen fand sonst am zweiten oder dritten Osterfeiertage, nachdem die religiöse Festlichkeit zuvor den Reigen eröffnet hatte und dieser die Familienfreude gefolgt war, eine allgemeine Volksbelustigung, die große Feier des Auferstehungsfestes statt. Auf dem gewöhnlichen Spiel- und Sammelplatze der Gemeinde (im Sommer gab es keine Wirthshausgesellschaften) traf sich an dem besagten Tage Nachmittags fast die ganze Einwohnerschaft. Stämmige junge Burschen traten vor, einen Korb mit Eiern, welche letztere sie sich zuvor in den Häusern des Ortes erbeten hatten, in ihrer Mitte. Nun wurden diese Eier in zwei Reihen neben einander, jedes Ei einen oder mehrere Schritte von dem andern entfernt, auf die Erde gelegt. Als dieses geschehen war, traten zwei gewandte Jünglinge hervor, jeder mit einer Anzahl Freunde und bestimmten: »während der Eine die Eier, eines nach dem andern, in gewissen Zwischenräumen aufnehme, und sie wieder in den Korb bringe, wolle der Andere den Weg zum nächsten Dorfe, zur nächsten Stadt etc. hin und zurück machen«. Die Partheien ordneten sich, bestimmten den Preis und auch ein Schieds- und Preisgericht. Jetzt wurde ein Zeichen gegeben und die zwei Bewerber setzten sich in Bewegung. Als endlich dieser oder jener der Preisbewerber als Sieger auftreten konnte, erhielt er die Eier und es wurde ihm auf alle mögliche Art Lob und Beifall gezollt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 673.
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