751. Der Pfingstlümmel.

[673] (S. Egler S. 260.)


Am dritten Tage des hohen Pfingstfestes Nachmittags zogen im Hohenzollerschen die Jünglinge in den grünen Wald. In geordnetem Zuge ritten sie darauf wieder in das Dorf ein, voran der Maienführer. Dieser trug ein schlankes belaubtes Bäumchen. Auf dem Hauptplatze des Dorfes angekommen, hielt er eine lange Rede in Versen von der jungen Natur, ihren Schönheiten und Freuden. Nun tummelte ein Anderer in seltsamer Tracht sein Roß in die Schranken; es war der Astronom, ihm folgten die »Schwarzkünstler«, dann der »Koch«, der »Kellner« und andere, jeder nach seiner Stelle gekleidet und in possierlichen Reimen seinen Stand, seine Kunst und Geschicklichkeit preisend. Den Schluß des Zuges der wohlberittenen Schaar bildete der sogenannte Pfingstlümmel. Er war ganz in grüne Zweige gehüllt und wurde nun zum nächsten Brunnen geführt, um ins Wasser geworfen zu werden. Doch kaum war dies geschehen, so entledigte sich der Lümmel seiner Zweige, tauchte sie nochmals tief ins Wasser und trieb so einen ganzen vollen Regenguß auf die Zuschauer, die sich rasch aus dem Staube, oder vielmehr aus dem Regen machten.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 673.
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