82. Das alte Trier und seine Wahrzeichen.

[101] (S. Curieuser Antiquarius S. 607. Laven S. 57.)


Trier, die frühere Residenz eines der geistlichen Churfürsten, des sogenannten Erzkanzlers des h. Röm. Reichs durch Gallien, der auch sonst bei der Wahl des deutschen Kaisers die erste Stimme hatte, galt für die älteste Stadt (nächst Solothurn) in Europa nach dem alten Verse: Ante Romam Treviris stetit annis mille trecentis11 d.i. Tausend und dreihundert Jahr stund Trier eh' Rom gebauet war.

Die Gegend freilich stand sonst in ziemlich schlechtem Geruche, denn die Astrologen nannten sie Cloaca Planetarum, weil der Himmel dort stets voll Wolken und Regen ist. Man erzählt aber, daß sich dort in einem See, so lange als die Churfürsten bestanden, zu gewissen Zeiten ein ungewöhnlich großer, gänzlich unbekannter Fisch habe sehen lassen, der stets den Tod des Landesfürsten angezeigt habe.

Als Wahrzeichen von Trier gilt aber das sogenannte Trebeta-Bild auf dem Stadthause daselbst. In der Mitte desselben ist der angebliche Gründer der Stadt Trier, Trebeta, der Sohn des Assyrischen Königs Ninus mit Turban und Königsmantel abgebildet, er trägt auf dem Schooße und auf jeder Hand ein Gebäude mit Thürmen. Unterhalb Trebeta befindet sich Ninus, auf dem Haupte eine Königskrone tragend, worin die Worte zu lesen sind: Ninus Rex. Links steht ein Mercurbild, das zwischen zwei Magnetsteinen schwebt, rechts ein Jupiter, welcher eine Schale mit emporlodernder Flamme hält. Außerdem befindet sich hinter Trebeta's Haupte und in jeder der beiden untern Ecken ein Thürme tragendes Gebäude, so daß im Ganzen sechs solcher Gebäude auf dem Bilde vorhanden sind. Oben über der Mitte des Gemäldes ist ein Wappen, woran eine Schleife hängt. Auf letzterer stehen die Worte:


Trebeta, vonn Erenn schon

Dregt Trier, die edell Kron.[101]


Unterhalb Trebeta und Ninus liest man:


Semiramis, ein Kinigin

Des Reichs von Assirien

Nini des Kinigs etlich Gemachel,

Ihr genuegist nit die große Zahl,

Die Land und Luidt, die sy besas,

Die Welth ir zu klain was

Dar zu als uns die Schrifft sacht,

Wart us dem Reich verjagt,

Jer Stief Sun, Trebetha genanth,

Der verlies sins Vatters Land,

Und bauth Trier, die edell Stath,

Die iren Namen da von hath.

Und wiert erkanth das Haubt und Kron

Vor andern Stedten in Europen schon,

In dem dritten Tail der Welth

Des Allter halben vuir gezelth,

Die loblich Stath an sich gebracht

Durch iere Weisheit, Kraft und Macht:

Strasburg, Basell und Kollen mit Streit,

Darzu Wurms, Mentzs mit der Zeit,

Mit vil andern Flecken und Schlos,

Mit Land und Leudt, die sy besas ierer gros

Und herrlich an Diensten, Silber und Golt;

Den sy auch behielt

Gueten Schirm und Frid

Nach der Statt und Rom Sitt,

Der sy sich gleichet an Ars und Regiment

So das sy dar nach wart genent

Der ander steten ein Bloem,

Das ander und dis zweith Rom.


Unterhalb der Figur des Ninus steht noch:


Schrift und Figur ist gemacht

Wie das Original mit sich bracht.


Links über dem Mercur liest man:


Vor Christus Geburt Trier die alte Stat

Zway dusent acht und nuinzig Jar gebuit wart;

Drey dusent hundert syben und sybenzig Jar

Nach Anfang der Welt ist angefangen sunder far;

Dusend drey hundert Jar vor Rom

Ward uffgericht Trier, die edle Kron.


Unter dem Mercur steht:


Von Eisen was gegossen ein Bilde hoche,

Mercurius genent, der im Tempel floge,

Solches zwaier Magnetenn Krafft

Inn der Luffth schwebenn macht.


Rechts über dem Jupiter stehen die Verse:


Man listh von Noe, dem ser althen Mann,

Also wie er drey junger Suin gewann:

Ham, Sem, Japheth werden sy genanth

Der erst Affricam, der zweit Asiam erfult hath,

Japheth der drith, Europam er allain besas;

Daß Trier das Haubth und die Bluemen was.


Unter dem Jupiter endlich liest man:


Von Marmell ein Bild, Jupither genanth

Ein blatthenn hielt es in seiner Hanth,

Das was von Lischteun gemacht so guet

Das Weihrauch da in rauchet sunder Gluet.


Am Ende der Inschrift steht: 1559 Cl. Markar fecit 21. Aprilis 1684. Uebrigens existirt noch ein zweites Gemälde, dem hier beschriebenen ziemlich gleich, nur mit der Unterschrift 1559; der Maler Markar aber starb 1724.[102]

Andere Wahrzeichen sind noch: der große Christoph am Römerthor, dann der Eulenspiegel auf der Marktfontaine und der Stein beim Dome, der sogenannte Teufelsstein, den einst der Teufel dorthin unter Donner und Blitz geworfen haben soll, weil er sich ärgerte, daß auf den Pforten des Römerthors dort eine Kirche erbaut worden war. Neuerdings bezeichnet man noch das schiefe Fenster an der St. Laurentiuskirche (Liebfrauenkirche) unmittelbar über dem Eingangsportale als viertes.

Die Volkssage aber erzählt, Trebeta der Stiefsohn der Assyrischen Königin Semiramis sei, von der unkeuschen Liebe derselben verfolgt, zu Schiffe gegangen und habe nach langem Herumirren in Afrika und Europa sich endlich hier im jetzigen Gebiete von Trier niedergelassen, eine Stadt erbaut, die nach ihm Treviris genannt worden sei, und sei nach seinem Tode auf Veranstaltung seines Sohnes Herot göttlich verehrt worden. Auf der Höhe des Marsberges, dem jetzt sogenannten Franzenknöppchen, sei er beerdigt worden.

11

Ein anderer Vers lautet:

In Celtis nihil est Soloduro antiquius unis

Exceptis Treviris, quorum ego dicta soror.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 101-103.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Leo Armenius

Leo Armenius

Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.

98 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon