776. Der fromme Adel.

[692] (Nach Hans Sachs, Auswahl v. Hopf Bd. I. S. 224 etc. [u.m. Abbild.] bei Scheible, Schaltjahr Bd. I. S. 362 etc.)


Es ist einmal zu Frankfurt a.M. Halsgericht gehalten worden über einen jungen Reitersmann, der Straßenräuberei getrieben hatte, weil er aber ein junger, hübscher, feiner Gesell war, so haben Viele Mitleid mit ihm gehabt. Als er aus dem Gerichtshofe weggeführt ward, kam der Zug mit ihm an einem Wirthshause vorüber, wo gerade viel fremder Adel versammelt war um mit der fränkischen Ritterschaft einen Vertrag zu schließen. Wie nun diese den jungen Uebelthäter erblickten, wandelte auch sie Mitleid mit ihm an und sie legten bei dem hohen Rathe eine Fürbitte für ihn ein, daß er nicht solle zum Tode verurtheilt werden. Der Rath aber entgegnete ihnen, sie wüßten wahrscheinlich nicht, was er verübt, er sei ein Straßenräuber gewesen und habe im Spessart die Frankfurter Kaufleute überfallen, wenn sie aber es wünschten, so wolle der Rath ihm das Leben schenken und ihn um ihrerwillen nur aus dem Lande verweisen. Da antworteten die Ritter aber, weil er auf dem Spessart Wegelagerei getrieben und es doch nur dem frommen Adel zustehe sich vom Raube zu nähren, er aber nur ein Bauerknecht gewesen sei, möchten sie ihn in Gottes Namen um einen Kopf kürzer machen, und so geschah es auch.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 692.
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