785. Das Bihrenstrenzen.

[697] (S. Enslin S. 227.)


In der Nähe des Mains stand ein wunderschöner Birnbaum, den aber sein früherer Besitzer auf unrechtmäßige Weise erworben hatte. Deshalb hatte er im Grabe keine Ruhe und mußte umgehen. Im Herbst, wenn die Niederräder Spinnstuben sich füllten, gingen die jungen Burschen hin nach jenem Birnbaum und zu andern, die in der Nähe standen, steckten sich die Taschen voll von dem gestrenzten (gestohlenen) Obste, brachten es mit nach Hause und verzehrten es gemeinschaftlich mit den Spinnerinnen. Nun war aber in der Nähe des Birnbaums ein Bach, über welchen ein Steg führte, den die Birndiebe zu passiren hatten. Plötzlich erscheint nun aber der Geist des frühern Besitzers jenes Birnbaums und die Birndiebe ergreifen die Flucht. Einer aber hatte doch zu viel der süßen Früchte eingesackt, dies hinderte ihn am Laufen, so kam ihm der Geist zu nahe, hockte ihm auf und ließ sich von ihm forttragen. Als sie aber an den Steg kamen, da schüttelte sich der geängstigte Träger so kräftig, daß das Gespenst herab und in das Wasser fiel. Bei dieser Gelegenheit fielen aber auch mehrere Birnen aus seiner[697] Tasche, schnell ergriff der Geist eine davon und warf sie dem jungen Burschen nach. Er traf ihn auf den Rücken und davon ist jener bucklich geblieben in alle Ewigkeit.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 697-698.
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