1011. Springmeiers Kolk.

[840] (S.d. Mittheil. a.a.O. S. 401.)


Als man vor Alters zu Laer eine Glocke gegossen, vergaß man dieselbe zu taufen. Mit Mühe hatte man sie auf den Thurm gebracht. Die ganze[840] Gemeinde war bei dieser Arbeit versammelt und wartete mit Sehnsucht auf die ersten feierlichen Klänge. Schon war die Glocke in schwingende Bewegung gesetzt, schon erschollen die ersten Töne vom Thurme herab und freudig jauchzte die horchende Menge hinauf gen Himmel. Siehe da kommt plötzlich der Teufel – jeder Schlag seiner Flügel ist wie das Brausen des Sturmes – dahergeflogen, reißt die Glocke vom Stuhle und fliegt läutend damit in die nahe gelegene Salzquelle, Springmeiers Kolk genannt, wo man sie noch an hohen Felsen im tiefen Grunde läuten hört. Beim Raube der Glocke waren durch die Gewalt des Teufel eine Menge Steine aus dem festen Gemäuer des Schalloches herausgerissen. Dieser Schaden konnte lange trotz des vorzüglichsten Mörtels und der geschicktesten Meister nicht wieder ersetzt werden. Endlich gelang es jedoch, diese Spur des Teufels zu vernichten, und werden die wieder eingemauerten Steine gewiß so lange im Verbande bleiben, als der Thurm stehen wird. Das Geläute der Glocke aber hört man noch immer im Kolke, wenn die Glocken vom Laerschen Thurme herabtönen, und man sagt jetzt, es sei das Echo oder der Wiederhall des letztern, der von den Bergen zurücktöne.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 840-841.
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