1046. Die Vißbecker Braut.

[860] (S. Nieberding a.a.O. S. 41 und Kuhn Bd. I. S. 30.)


In der Ahlhorner Heide unweit der Aue und nordwestlich derselben an dem Abhange einer Anhöhe, die Steinloge genannt, 11/2 Stunde vom Dorfe Visbeck entfernt, liegt ein aus 71 großen und zwei parallelen Reihen aufgestellter Steine bestehendes Denkmal, die Visbecker Braut genannt, und etwa 1/4 Stunde westlich von derselben entfernt ein anderes aus 122 Steinen bestehendes, welches man den Bräutigam nennt. Davon geht folgende Sage.

Gretchen, die Tochter eines Bauern zu Großen-Kneten, liebte schon lange den Sohn Conrad ihres Nachbars, mit dem sie aufgewachsen war, und beide waren sich einander theuer geworden, als Thies Jörgen, der Sohn eines reichen Bauern zu Vißbeck, bei ihrem Vater um ihre Hand anhielt[860] und ihm dieselbe, ohne die Tochter zu fragen, von diesem versprochen wurde. Vergebens war Gretchens Flehen bei dem harten Vater, ihr den groben, stolzen, anmaßenden Jörgen nicht aufzudringen, vergebens ihre Bitte ihr den guten Conrad zu geben, der Vater blieb gefühllos und bestimmte den Tag zur Heirath, denn Thies war reich, Conrad's Hof aber verschuldet. An dem zur Trauung bestimmten Tage wankte das geschmückte Gretchen mit ihrem Gefolge auf dem Wege nach Visbeck zu und richtete ihre Bitten zu Gott, sie von dem Jörgen zu erlösen, aber es half nichts. Als sie aber auf die Anhöhe kam, von welcher sie zuerst den Thurm zu Visbeck erblickte, da betete sie nochmals, sie doch lieber in Stein zu verwandeln, als sie mit Jörgen zu verbinden. Was geschah: plötzlich schienen alle Elemente in Aufruhr zu gerathen und Gretchen mit ihrem in zwei Reihen folgenden Gefolge wurde plötzlich in Stein verwandelt. Ihrem Bräutigam Jörgen, der ihr auf einem andern Wege entgegengezogen war, widerfuhr in demselben Augenblicke dasselbe. Beide stehen noch da als ein warnendes Beispiel für hartherzige Eltern.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 860-861.
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