1045. Der Mordkuhlenberg.

[859] (S. Nieberding in d. Osn. Mittheil. Bd. III. S. 40. Darnach Kuhn Bd. I. S. 21.)


In den Dammer Bergen auf dem halben Wege zwischen Steinfeld und Damme ostwärts nicht weit von demselben erhebt sich ein Berg über die andern, an dessen westlicher Spitze man in dem gelben Sande einen Absturz bemerkt, welchen man die Mordkuhle nennt. Der Berg selbst heißt der Mordkuhlenberg und seine hohe kahle Spitze dient jetzt zu Signalen in der Ferne.

Als in alten Zeiten alle diese Berge mit Fichtenwald bedeckt waren, und nur eine Straße durch denselben von Steinfeld nach Damme führte, trieb eine fürchterliche Räuberbande in der Mordkuhle ihr Wesen, der Nachbarschaft zum Schrecken, dem Wanderer zum Verderben. Ueber den Weg waren zwei verdeckte Leinen gespannt, die von dem Tritte der Wanderer berührt, durch Glocken in der Höhle den Räubern die Annäherung derselben verkündeten. So konnten diese ruhig deren Ankunft abwarten und ihnen auf nähern Wegen zuvorkommen, sie berauben und tödten. Lange hatten sie ihr Wesen getrieben, als um Ostern die Tochter des Colonen Nienhaus, die der Hauptmann vor sieben Jahren geraubt hatte, und mit welcher er lebte, diesen bat, ihr zu erlauben, in der Kirche zu Damme ihre Ostern zu halten. Ihrer Treue schon ziemlich sicher sich glaubend, erlaubt er ihr dieses, nach abgenommenem fürchterlichen Schwur, keinem Menschen von ihrem Aufenthalt und Leben etwas zu entdecken. Nachdem diese ihre Andacht verrichtet hatte und die versammelte Volksmenge die Kirche verließ, stellte sie sich an die Kirchenthüre und klagte dieser mit lauter Stimme, daß Alle es hörten, ihr trauriges Loos, und die Verhältnisse der Räuber, sie sagte, sie wolle einen Scheffel Erbsen kaufen und mit diesen den Weg zur Höhle bezeichnen, und kehrte dann, dieses ausführend, hierher zurück. Schnell sammelte sich das Volk, bewaffnete sich, folgte ihrer Spur und überfiel die nichts Böses ahnenden Räuber in der Höhle, welche theils getödtet, theils gefangen der Gerechtigkeit überliefert wurden.171 Das Mädchen wurde befreit, reichlich begabt und die Höhle ganz zerstört und eingestürzt, wovon man die Stelle in dem gelben Sande, der noch nicht wieder mit Heide bewachsen ist, in der Ferne sieht.

171

Eine ähnliche schlesische Sage ist oben Nr. 178 erzählt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 859-860.
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