1085. Kaiser Ludwig baut Hildesheim.

[888] (Nach Botho in d. Sassenchronik bei Grimm, Deutsche Sagen 462 Bd. II. S. 129. Anders bei Seifart, Sagen d. Stadt Hildesheim Th. I. S. 3 etc. 172 etc. [Göttingen 1854.])


Da wo jetzt Hildesheim steht, war früher Alles »Wool«, vor dem Dammthore und bei St. Michaelis ist noch Holzung gewesen, als die Stadt schon erbaut war; darum heißt die Straße bei St. Michaelis noch heute »der Wool.« Nun traf es sich, daß gerade dieser Wool vom deutschen Kaiser Ludwig oft des Jagens wegen besucht ward. Einst begab es sich, daß er auch hier jagte, er verfolgte hitzig einen weißen Hirsch, und ob er wohl ein sehr schnelles Roß hatte, so war doch der Hirsch noch flinker, er lief über Berg und Thal, sprang über die Innerste und schwamm durch, der Kaiser immer hinterdrein, sprang auch ins Wasser, verlor aber dabei sein Pferd und seine Hunde; der Hirsch entkam und der Kaiser schleppte sich müde und matt noch eine Strecke weiter unter einen hohlen Baum um auszuruhen. Er führte aber allezeit ein Marienbild an seinem Halse mit sich, er legte dies inzwischen auf einen Stein, und als er es wieder an sich nehmen wollte, vermochte er es nicht von der Stelle zu bringen. Da fiel der Kaiser auf die Kniee und betete zu Gott, daß er ihm kund thät, ob er einer Missethat schuldig sei, deswegen das Bild nicht von dem Steine weichen wolle? Da hörte er eine Stimme rufen, die sprach: »So ferne und weit ein Schnee fallen wird, so groß und weit sollst Du einen Thumb bauen, zu Marien Ehren!« Und alsbald hob es an vom Himmel zu schneien auf die Stätte. Da sprach Ludwig: »Dies ist Hilde Schnee und es soll auch Hildeschnee heißen.« So weit nun der Schnee gefallen war, stiftete er einen Kirchenbau, unserer lieben Frauen zu Ehren, und Günther war der erste Bischof, den er darin bestätigte. Also bekam der Dom und die Stadt den Namen nach dem Schnee, der »do hilde (schnell)« fiel, das ward genannt Hildeschnee und dann Hildesheim.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 888.
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