1176. Der Seckelnborger.

[943] (S. Schambach u. Müller S. 46.)


Bei Mandelbeck, in dem Mandelbecker Forst, liegen die Ruinen der Seckelnburg (oder Sickelburg). Auf ihr wohnte ein Raubritter, der Seckelnborger. Dieser war aber sehr grausam, denn allen Menschen, welche in seine Hände fielen, selbst den armen Leuten, die sich im Walde Holz holten, schnitt er mit einer Sichel den Kopf, Frauen aber die Brüste ab. Er ließ, um seine Verfolger zu täuschen, seinem Pferde die Hufeisen verkehrt aufschlagen, allein einmal kam man ihm doch auf die Spur, er sprengte in der Richtung nach Osterode zu, als er aber von den Nachsetzenden heftig bedrängt ward, floh er auf den bei der Stadt befindlichen Berg, welcher Höwesthal heißt, wickelte seinem Pferde den Mantel um den Kopf und setzte mit demselben hinab in die Tiefe, ward aber von dem Sturze zerschmettert.

Der Leichnam des bösen Ritters ward nach Mandelbeck gebracht, weil er aber gar zu gottlos gewesen war, wollte man ihn in keinem Orte auf dem Kirchhofe begraben lassen. Endlich ließen es die Einwohner von Wiebrechtshausen zu, daß er unter der Dachtraufe der dortigen Kirche begraben ward. Daher fiel der Mandelbecker Forst dem Kloster Wiebrechtshausen zu, die Lagershäuser erhielten dafür, daß sie die Leiche durch ihr Dorf hatten fahren lassen, die Berechtigung, im Mandelbecker Forste Holz zu lesen. Der Pfarrer von Edesheim, welcher ihm die Leichenpredigt gehalten hatte, bekam von dieser Zeit an jährlich acht Klaftern Holz, welche auch bis auf den[943] heutigen Tag dem jedesmaligen Pfarrer daselbst geliefert werden. Man zeigt heute noch den Grabstein des Seckelnborgers, auf dem eine menschliche Figur abgebildet ist, welche eine Sichel um den Hals hat.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 943-944.
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