1186. Hans von Eisdorf.

[957] (S. Pröhle S. 172. 168. Thüringen u.d. Harz Bd. III. S. 15.)


Im dreißigjährigen Kriege war der Harz ein Zufluchtsort einer Menge Wegelagerer und Buschklepper, der sogenannten Harzschützen. Unter ihnen war[957] namentlich eine Rotte berüchtigt, deren Anführer ein gewisser Hans Warnecke aus dem bei Osterode gelegenen Dörfchen Eisdorf war, der gewöhnlich deshalb Hans von Eisdorf genannt wird. Seine Frechheit ging so weit, daß er vor dem Pfingstfeste des Jahres 1627 der Stadt einen Fehdebrief zuschickte und auch bald darauf einen Bürger, den er auf dem Felde traf, erschlug. Einige Tage später rückte er vor die Stadt, die ihm unentgeldlich Lebensmittel aller Art heraussandte, und es dennoch mit ansehen mußte, daß er beim Abzuge alle Kühe, Schafe und Pferde, deren er habhaft werden konnte, mit sich fortführte. Vergebens suchten ihn die Osteroder in ihre Gewalt zu bekommen, es wollte aber lange Zeit nicht gelingen, bis er sich in seiner Kühnheit auf den Jahrmarkt nach Osterode wagte. Er wurde in einem Bierhause (das Haus, welches jetzt die Nr. 259 führt) mit List gefangen genommen. Es war nun hier das Gesetz, daß ein Jeder, der sich blos der Jahrmarktsfreiheit wegen in die Stadt traute, um drei Uhr Nachmittags wieder heraus sein mußte, denn um drei Uhr ward geläutet und dann war der Jahrmarkt vorüber. Nun hatten ihn aber Einige in dem Wirthshause erkannt und waren dann nach dem Gerichte gelaufen, man hatte die Uhr verstellt und die Obrigkeit schickte Leute ab, die ihn festnehmen sollten. Er hatte sich dort von Sonntag Nachmittag drei Uhr an bereits mit einem einzigen seiner Leute aufgehalten und seinem Vergnügen gelebt; als nun aber die Glocke des Aegidienthurmes den Jahrmarkt am Dienstag schon um ein Uhr ausläutete, während es doch eigentlich erst um drei hätte geschehen sollen, so sprang Hans von Eisdorf, als er die beunruhigenden Töne hörte, vom Tische auf, wo er seinen Platz gehabt hatte, die Bürger, die im Wirthshause saßen, verstärkt durch die von der Obrigkeit geschickten Häscher, ließen ihm nicht Zeit das Freie zu gewinnen und sein schon gesatteltes Roß zu besteigen, sondern sie ergriffen den Tisch, hinter welchem Hans mit dem Rücken an die Wand gelehnt gesessen hatte, schoben ihm denselben auf den geharnischten Leib, daß er eingeklemmt war und sich nicht rühren konnte, und legten ihn in Bande. Nach einer andern Erzählung hätte ihn aber der Scharfrichter von Osterode in der Wirthsstube festgebannt. Er ward nach Celle gebracht und dort verurtheilt mit vier Ochsen zerrissen zu werden. Dies ist auch zu Seikenhowe wirklich mit ihm vorgenommen worden. Das eine Theil seines Körpers ist zu Osterode bei dem sogenannten Wagelose begraben worden, das andere bei dem Rönnenberge, das dritte bei der Mahnte und das vierte bei dem Brannteweinsteine. An letzterem Orte zeigt sich alle Abend ein Licht, welches von einer Seite zur andern geht und dann verschwindet.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 957-958.
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