992. Die Ketten in der Kirche zu Merzen.

[831] Vor mehreren hundert Jahren zogen zwei Bauern aus Merzen im Osnabrückschen von Sehnsucht getrieben, die Stätte zu besuchen, wo der Erlöser einst wandelte, über's Meer nach Palästina. Sie besuchten alle die heiligen Oerter und waren schon wieder auf dem Rückwege, da wurden sie von einer Türkenrotte überfallen und der Anführer derselben, ein grimmiger Fanatiker, ließ ihnen die Wahl, entweder den Glauben Muhameds anzunehmen oder zu sterben. Er ließ ihnen eine Nacht Bedenkzeit und schloß sie in einen tiefen Kerker ein. Dort beteten sie inbrünstig zum Herrn, er möge sie im festen Glauben stärken, auf daß sie nicht sich durch Furcht vor dem Tode verlocken lassen möchten, vom Christenthume abzufallen. Der Herr aber führte sie durch einen seiner Engel während des Schlummers hoch über Land und Meer der Heimath zu und als sie erwachten – es war gerade die heilige Nacht des Christtags – da tönte ihnen von ihrem Dörflein her ein lieblich Festgeläute entgegen. Sie trauten ihren Augen kaum, allein bald konnten sie an dem ihnen widerfahrenen Wunder nicht mehr zweifeln und hingen zum ewigen Andenken die Schlösser, womit sie gefesselt gewesen waren, in der Kirche zu Merzen auf, wo man sie noch sehen kann.

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Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 831.
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