877. Die Riesenprinzessinnen.

[750] (S. Rommel, Hess. Gesch. Bd. I. S. 128. Winkelmann, Chronik v. Hessen Bd. VI. S. 315. Hocker, Deutsche Sagen und Sitten. Cassel 1854 S. 36. v. Wildungen in Hartig's Sylvan 1816.)


Vor langen langen Jahren lebte in Reinhardswalde ein mächtiger König, der hatte drei Töchter, welche Riesinnen waren, eine hieß Saba, die andere Trenda und die dritte Bramba. Für jede baute er ein Schloß, für Saba die Sababurg (ursprünglich Zapfen- oder Zappenburg), für Trenda126 die Trendenburg (Trendelburg) und für Bramba127 die Bramburg bei Bürsfelden. Hier wohnten sie und pflegten sich damit zu unterhalten, daß sie auf die Schloßthürme stiegen und durch Sprachröhre mit einander redeten. Auf der Sababurg zeigte man noch lange Zeit das große Bette der Saba, ihre Betstube, den Brunnen und den Becher, woraus sie getrunken haben soll. Die Bettstelle war sehr schön geschnitzt und jeder Besucher schnitt sich einen Spahn daraus als Zahnstocher, weil man glaubte, daß durch bloße Berührung eines kranken Zahnes damit die Schmerzen aufhörten. Zwischen Helmarshausen und Wülmersen heißt der Wülmersen zunächst gelegene Theil des Waldes heute noch die Mordkammer, weil angeblich hier die Saba ermordet worden ist. Ihre Rippen sind angeblich in die fürstliche Kunstkammer nach Cassel gekommen, wo sie als Merkwürdigkeiten aufbewahrt wurden, aber später verschwunden sind.

Die Trenda ärgerte sich, daß zwischen ihrer Burg und Deissel ein Thal sei, sie wollte dafür einen Berg haben, sie sammelte also Steine und Erde in ihre Schürze um solches dort auszuschütten und somit den gewünschten Berg zu haben. Unterwegs entglitt ihr aber ein Zipfel der Schürze, ein Theil der Erde fiel heraus und daraus entstand der Ohmeberg. Sie erfaßte den Zipfel aber wieder, ging noch eine Strecke fort und schüttete dann den ganzen noch übrigen Inhalt heraus, daraus entstand der Deisselberg. Einst zog sich aber ein furchtbares Gewitter über Trendelburg zusammen und wetterte dort unausgesetzt sieben Tage und sieben Nächte. Da beschlossen die Einwohner die Riesin zu vertreiben, um auf diese Weise den Himmel zu versöhnen. Sie führten sie also aufs Feld hinaus, allein dort war sie kaum allein, als eine Wolke sich herabsenkte und sie verschlang. Da hörte der Donner auf und die Noth hatte ein Ende. Von dieser Zeit an aber sind noch heute große Löcher im Felde bei Trendelburg übrig, welche die Wolkenborste genannt werden; das größte ist mit Wasser angefüllt.

Die Bramba ist blind gewesen, allein sie hat doch stets zu Pferd den Weg durch die Weser nach der Bramburg gefunden.

126

Nach Andern hieß sie Lippola und ihre Burg Lippoldburg, obgleich diese von dem Mainzer Erzbischof Luitpold den Namen hat.

127

Nach Andern hieß sie Gisela und wohnte zu Giselwerder.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 750-751.
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