929. Die Lahn hat gerufen.

[791] (S. Wolf a.a.O. S. 130.)


Noch immer, wenn Jemand in der Lahn bei Gießen ertrunken ist, hat sie gerufen und das haben die Müller und Bleicher, die an dem Wasser sind, schon oft gehört. Es geschieht jedesmal Mittags zwischen 11 und 12 Uhr. Da rauscht die Lahn auf, schlägt starke Wellen und dann ruft es mit lautem Schrei aus dem so aufgeregten Wasser: »Die Zeit ist da! die Stund ist da! wär nur der Mensch da!« Nun hört man mit heimlichem Schauder[791] erzählen: »die Lahn hat gerufen, es ertrinkt bald wieder eins!« und das ist auch allemal zugetroffen, es ist bald darauf wirklich eins in der Lahn ertrunken.

Bei Neustadt am Heßler ruft oft die Lahn in langen, dumpfen und hohlen Tönen: »Ich will einen Menschen haben, einen Menschen will ich haben!« Dann gehen die Fische haufenweise ins Garn, denn es wird ihnen bange.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 791-792.
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