955. Der Teufel als Baumeister.

[804] (S. Grimm, Deutsche Mythologie S. 977. Lyncker S. 24 etc.)


Ein Bauer auf der Ellenbach, am Sandershäuser Berge bei Kassel, hatte einmal so viel Getreide einzuernten, daß er es nicht unterzubringen wußte, denn seine Scheune war zu klein und eine neue zu bauen, hatte er weder Geld noch Zeit. Nachdenklich ging er einst durch seine Felder, da[804] trat ein altes graues Männchen auf ihn zu und fragte ihn nach dem Grunde seiner Traurigkeit. Der Bauer hatte keinen Grund, die Wahrheit zu verleugnen, und siehe da: das graue Männchen lächelte und sprach: »Wenn's weiter nichts ist, die Scheune sollst Du haben und ehe morgen der Tag graut, soll sie fertig auf Deinem Hofe stehen, allein Du mußt mir dafür verschreiben, was Du an verborgenem Gute besitzest!« Der Bauer dachte hierbei an Schätze, welche ungehoben unter der Erde lägen und bedachte sich keinen Augenblick auf den Handel einzugehen. Erst beim Abschiednehmen sah er freilich den Pferdefuß unter dem Mantel des Männchens herausschauen, er wußte also, daß er mit dem Teufel zu thun hatte und ging kleinlaut nach Hause. Er erzählte hier seiner Frau, was ihm begegnet war, und diese rief: »Wehe, was hast Du gethan? ich trage ein Kind von Dir unter meinem Herzen, das hast Du dem Teufel verschrieben!« Doch ließ sich nichts mehr thun. Als es nun Nacht zu werden begann, erhob sich auf dem Bauernhofe ein ungeheurer Lärm, Fuhrleute, Zimmerleute, Maurer arbeiteten untereinander, der Teufel als Baumeister leitete das ganze Werk und Alles ging mit unerhörter Schnelligkeit von Statten. Nach wenigen Stunden stand die Scheune da, die Wände wurden mit Ziegeln ausgesetzt, der Dachstuhl aufgesetzt und nur einige Fachwände standen noch offen. Da schlich die listige Frau in ihres Mannes Kleidern über den Hof ins Hühnerhaus, schlug in die Hände und ahmte die Hahnkrähe nach und alle Hühner antworteten in der Runde. Da eilten alle bösen Geister davon, denn ein Giebelfach war offen geblieben. Einen Fuhrmann, der eben noch einen großen Stein herangefahren brachte, ergriff der Teufel, dem er zu lange ausgeblieben war und zerschmetterte ihn mit Roß und Wagen an der Scheune. Seine Gestalt wurde zum Andenken an dieser Scheune abgebildet und ist heute noch dort zu sehen. Den Scheunengiebel aber hat keine Menschenhand schließen können, was man bei Tage baute, fiel bei Nacht wieder ein. Der Teufel hat seitdem auch die Scheune als sein Eigenthum angesehen und in dunkler Nacht hört man noch jetzt darin dreschen, die Dreschenden aber sieht Niemand. Der Berg aber, auf welchem das graue Männchen dem Bauer erschien, heißt noch jetzt der Teufelsberg144.

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Eine ähnliche Geschichte erzählt Lyncker a.a.O. S. 22 von dem sogenannten Hahnhofe im Dorfe Herleshausen an der Werra.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 804-805.
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