1362. Hexengeschichten aus Hessen.

[1098] (S. Kirchhof Bd. III. Nr. 257-259. 261. 262.)


Es waren bei Marburg auf einem Dorfe am Ende des 16. Jhdts. zwei Schwestern, welche das Zaubern von ihrer Mutter gelernt hatten, die es dem Teufel hatte zusagen und verheißen müssen, daß sie es thun und alle ihre Töchter fürder dazu anführen wolle. Eine von diesen wendete sich nun an eine andere Frau, ihre Gevatterin, und verhieß ihr etliche Male, wo sie ihr folgen wolle, wolle sie sie eine Kunst lehren, daß sie ihr Leben lang keine Noth haben solle. Die andere dankte ihr, wolle auch die Kunst, reich zu werden, lernen, doch so nur, wo es mit Gott zugehe. Da zeigte ihr die[1099] Zauberin einen schönen jungen Gesellen, der werde ihr geben, was sie begehre, allein sie solle mit ihm zu Bett gehen, wo sie aber an Kleidern oder sonst was an sich habe, daran ein Kreuz wäre, müsse sie es abthun. Wie das Weib solches hörte, rief sie Gott an, segnete sich und lief zum Hause hinaus und sagte, was ihre Gevatterin ihr zugemuthet hatte.

Eine andere dieser Teufelstöchter wollte es ihrer Tochter, einem jungen Mädchen lehren, zeigte ihr einen hübschen Jüngling, hinter dem Ofen, der solle in der Walpurgisnacht ihr zu eigen werden. Da hat sich das Mädchen gesegnet und gesagt: »Davor behüte mich Gott!« Gleich war der Teufel verschwunden, ließ aber zuvor seine scheußlichen Füße zurück. Dadurch kam die Sache heraus, also daß die Mutter mit zwei Töchtern zu Marburg ergriffen ward, die eine ward am 25. Mai, die andere am 4. Julius verbrannt, die Mutter aber auf einem Stuhl sitzend enthauptet, im Jahre 1583.

Um dieselbe Zeit ist eine solche Hexe in einer Stadt in Hessen wohnhaft gewesen, als aber ihre teufelischen Händel offenbar wurden, ward sie gefangen, zum Feuer verdammt und auf einem Wagen hinausgeführt. Da ist ein evangelischer Prediger von einem Dorfe, welchem sie neulich ein Kind aus der Taufe gehoben, aus herzlichem Mitleiden zum Wagen getreten und hat sie mit Gottes Wort trösten wollen etc. Da hat sie überlaut angefangen zu lachen, also daß sich der Pfarrherr höchlich verwunderte und sagte: »Liebe Gevatterin, wie könnt Ihr doch in so großem Herzeleid, Schande und Schmach lachen und fröhlich sein, da Ihr doch vielmehr den lieben, barmherzigen Gott um Verzeihung und Gnade anrufen solltet?« Sie hat aber geantwortet: »Ja lieber Gevatter, deß lache ich, weil damals, wie ich Euer Kind zur Taufe getragen hatte und wir nachher bei Tische saßen, aßen, tranken und fröhlich waren, mein Freund, um dessen willen ich jetzund sterben soll, bei mir saß und mich küßte und drückte, aber keiner von Euch ihn sah. Deß lachte ich zu der Zeit und muß jetzt noch darüber lachen.« Als aber der Pfarrherr dies hörte, erschrack er, ging von ihr weg und ließ sie dahin fahren, wo sie hin wollte.

Man sagt, so man eine Zauberin probiren wolle, ob sie eine Hexe sei oder nicht, solle man ihr den rechten Daumen und die linke große Zehe, so auch den linken Daumen und die rechte große Zehe zusammenbinden und sie alsdann ins Wasser werfen. Gehe sie nicht unter, sei es gewiß, daß sie solchen Teufelskünsten verpflichtet sei. Solche Probe wollte nun zu Cassel im Jahre 1596 eine hochbetagte Frau, welche man solcher unchristlichen Händel wegen in Verdacht hatte, an sich selbst üben, um sehen zu lassen, daß sie unschuldig sei, sie ging also vor Jedermann auf die Fuldabrücke und sprang bei den Freizeichen hinab in das Wasser. Weil sie aber immer schwimmend oben geblieben, hat sie den Kopf untertauchen wollen, dennoch ist sie oben geblieben, und ist wiederum lebendig herausgezogen und gefangen gesetzt worden.

Zu Spangenberg ward ein Weib der Zauberei bezüchtigt und peinlich verhört; weil man ihre Zauberei nur gering schätzte, ward sie mit Ruthen gestrichen; der Scharfrichter aber, sobald er heimkam, ward krank und erlahmte, also daß er von Stund an auf Krücken gehen mußte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1098-1100.
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