388. Der Stralsunder Büttel und die grauen Mönche zu Stralsund.

[445] (S. Berckmann S. 221.)


Im Jahre 1516 starb zu Stralsund ein Büttel, Namens Matthias, ein Mann mit einer so großen Nase, wie man wohl unter hundert Menschen kaum eine findet. Er war aber auch ein sehr gottesfürchtiger Mann, und deshalb sehr angesehen unter den Bürgern, so daß sich keiner schämte, neben ihm sein Glas Bier zu trinken. Als er im Sterben lag, schickte er zu den Mönchen im grauen Kloster, daß sie ihn Beichte hörten und die letzte Oelung gäben, und der Guardian, Johann Wrede aus Lübeck, kam selbst zu ihm und reichte ihm die Sakramente, und am andern Tage starb er. Nun sollte aber der Büttel ein ehrliches Grab bekommen, ganz gegen die Gewohnheit jener Zeit. Da traten die Kapellane der drei Stadtkirchspiele zusammen bei dem Offizial,[445] Herrn Johann Tagge, und dieser befahl darauf, daß man die Leiche auf ungeweihtem offenem Felde begraben solle. Dies that aber Vielen sehr leid. Da kamen auf einmal des Nachmittags um zwei Uhr die grauen Mönche in die Büttelei. Sie kamen aber alle dahin und zogen ihm dieselbe graue Kappe an, welche sie selbst trugen und trugen ein Kreuz vor ihm her, wie bei jeder andern Leiche. Vier Laienbrüder aber trugen ihn in ihren Kreuzgang und da begruben sie ihn, ganz wie einen aus ihrer Mitte. Sie kümmerten sich demnach nicht um das Verbot des Offizials, sondern sie sagten, wer ihr Kleid trage, der werde selig und nicht verdammt, das habe der h. Franziscus von Gott erworben.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 445-446.
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