243. Der Zauberer Barthek.

[268] (S. Illustr. Familienjournal Bd. XI. Nr. 273.)


Als im 17. Jhdt. die Schweden bis nach Oberschlesien vorgedrungen und von Ratibor her nach dem Raudner Cistercienserkloster auf dem Marsche waren um das Stift zu plündern, wurde der damalige Abt durch diese schreckliche Nachricht in gewaltige Angst versetzt. Es war Niemand da, der ihnen hätte den Weg hierher versperren können. Zwar hatte der Abt die kostbaren Schätze und Geräthe so gut wie möglich zu verbergen gesucht, allein gleichwohl war er nichts desto weniger in Angst um sie als für sich und seine Mönche. Nun war aber zu Rauden ein Arzt, Namens Barthek oder Bartholomäus, der, obwohl er der Klostermedicus war, doch für einen gewaltigen Zauberer galt. Wie gewöhnlich saß derselbe, ein arger Trinker, im Wirthshause, als der Abt zu ihm schickte um seinen Beistand gegen die gefürchteten Schweden zu erbitten. Er kam nicht, und auch nachdem der letztere noch drei und viermal nach ihm schickte, rührte er sich nicht von dannen, er ließ nur dem geistlichen Herrn sagen, er möge sich nicht ängstigen, er werde schon dafür sorgen, daß die Schweden nicht hierher kämen, er bitte sich aber für den Fall, daß er einst ihrer bedürftig wäre, eine Gegengefälligkeit aus. Der Abt versprach alles Mögliche und begab sich sodann in die Kirche um zu beten, er war aber noch nicht lange dort, als die Nachricht kam, die Feinde wären ganz in der Nähe und müßten in einer Viertelstunde hier sein! Da ergriff den Abt eine unendliche Bestürzung und er eilte, sich unbewußt dessen was er that, der Gegend zu, von wo die Schweden herzogen. In dichte Rauchwolken gehüllt näherten sich die furchtbaren Reiter,[268] deutlich vernahm man den Hufschlag der Rosse, das Kriegsgeschrei der Soldaten, die blanken Säbel blitzten und man konnte schon die grimmigen Gesichter von weitem erkennen. Da machten sie plötzlich Halt, es schien als wären sie festgebannt, sie hielten da auf ihren sieggewohnten Rossen, den Säbel in der Faust, aber starr und steif und wie versteinert, da zogen sich plötzlich schwarze Regenwolken zusammen, der Regen stürzte in Strömen herab und ein furchtbarer Sturm heulte ihnen entgegen. Auf einmal, wie von demselben fortgepeitscht, drehten sie dem Kloster den Rücken und jagten in sausendem Galopp davon. Das Kloster war gerettet und der Abt wußte dem guten Barthek nicht genug der Dankesworte zu sagen.

Viele Jahre waren seit dieser Begebenheit dahingegangen, da trat der Tod an das Krankenbett des Arztes und verkündete ihm sein letztes Stündlein. Hiergegen halfen dem Sterbenden alle seine Zauberkünste nichts, er ergab sich in sein Schicksal, rief aber zuvor noch den Abt herbei, sagte ihm, daß er sterben müsse und bat ihn, den Teufel von seinem Lager fern zu halten, der da kommen werde um ihn zu holen. Seines Versprechens eingedenk, knieete der fromme Geistliche nieder, umfaßte den Dahinscheidenden mit der Stola und fing an fromme Gebete herzusagen. Barthek starb, im nämlichen Augenblicke aber erscholl aus allen Ecken und Winkeln des Zimmers ein Krächzen und Heulen, Krähen und Nachtvögel, sowie ungestalte Geschöpfe erschienen und umflatterten den todten Barthek mit wildem Geschrei. Das geweihte Band aber, das er um seinen Körper geschlungen hatte, sowie die Gebete des Abtes hielten die Teufel fern, bis sie endlich gänzlich wieder verschwanden. Barthek's Seele war gerettet, sein Körper aber wurde in einer Gruft der Kirche begraben.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 268-269.
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