255. Die wilde Jagd bei Freistadt.

[277] (Nach Gödsche S. 146 etc.)


In der Gegend von Freistadt lag die Burg Zölling, diese gehörte dem Ritter Wolf von Braun, einem tapfern Mann in den besten Jahren. Derselbe war aber verlobt mit einer Tochter des Ritters von Rechenberg auf Windischbohrau. Nun hatte er aber einen jüngern Bruder Dietrich, der wußte letztere seinem Bruder abspenstig zu machen, so daß sie sich von ihm entführen ließ, mit ihm entfloh und lange im Verborgenen lebte im Zöllinger Walde an dem Berge, der jetzt noch der Burgsberg heißt. Der ältere Bruder aber schwor seinem Bruder ewige Rache, verließ seine Burg und verbarg sich in seinen Wäldern, in der Hoffnung ihm aufzulauern und so seine Rache voll zu machen. Letzterer aber hatte mittlerweile die Verzeihung des alten Rechenbergs erlangt und war von diesem in Windischbohrau als sein Schwiegersohn aufgenommen worden. Er war nun darauf bedacht, seinen Bruder zu versöhnen und suchte ihn überall; endlich traf er ihn bei Großenbohrau, redete ihn an und suchte ihn zu begütigen, jener aber hörte ihn nicht einmal an, sondern zog sein Schwert und rannte es ihm durch den Leib, also daß er todt vom Pferde fiel. Als aber die That geschehen war, da[277] ergriff ihn eine bodenlose Angst und er jagte wie von Furien gejagt in den Wald hinein, in der Nacht aber kehrte er an den Ort des Mordes zurück und setzte seinem todten Bruder mit eigenen Händen daselbst ein steinernes Kreuz, das noch heutigen Tages dort in der Dorfmauer steht. Als aber die Glocken ertönten, die das Begräbniß seines Bruders einlauteten und er dem Trauerzuge begegnete, da warf er sein abgemagertes Roß herum, stieß in sein Hifthorn und sprengte mit seinen Hunden hinab in den Kesselbusch, also daß auf dem Steine, der in der Mitte liegt und zur Brücke diente, alle vier Hufe zu erkennen waren, und stürzte sich mit dem Rosse und den Hunden an der Zöllinger Grenze hinab in einen tiefen Sumpf, der zum Andenken bis diese Stunde der Braunsteich genannt wird. Dort hat er aber keine Ruhe gefunden, denn jede Nacht, wenn zu Großenbohrau die Glocke 12 schlägt, steigt er mit Roß und Hunden herauf und zieht vom Eulberg aus durch Zöllings Grenzen hin mit Jägergeschrei und unter Hundegebell und seiner Gefährten Hurrahruf als wilder Jäger, der die ganze Umgegend schreckt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 277-278.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band