257. Hans Bleihan's Säule zu Bunzlau.

[278] (Poetisch behandelt von Ziehnert Bd. II. S. 236 etc.)


Auf der Mitternachtsseite des Marktes der Stadt Bunzlau in Schlesien stand vor dem Hussitenkriege eine Säule, um welche sich ein Lorbeerkranz schlang, oben darauf aber ein vergoldeter bleierner Hahn, der sich auf die tapfere That des Stadtvogtes Hans Bleihan vom Jahre 1217 beziehen sollte. Vor langen, langen Jahren (1217) hielt sich auf dem verrufenen Gröditzberge bei Bunzlau eine Räuberbande auf, welche die ganze Gegend unsicher machte und sogar frech genug war, es auf die Stadt[278] selbst abzusehen. Auf gewöhnlichem Wege konnten sie natürlich derselben nicht beikommen, sie sannen also eine List aus, wie sie sich ohne daß die aufmerksamen Bürger es ahnen könnten, in die Stadt schleichen möchten. Sie beluden also zwanzig Frachtwagen scheinbar mit Korn und andern Feldfrüchten, indem sie unter denselben auf dem Boden ihre Waffen versteckten, sie selbst aber verkleideten sich theils als Fuhrleute, theils als Bauern und schlichen sich so zu den Thoren hinein. In der Stadt angekommen, stellten sie absichtlich so hohe Preise, daß sich zu ihrer Waare keine Käufer fanden und nachdem sie so den ganzen Tag über unverrichteter Sache auf dem Markte gehalten hatten, gaben sie vor, ihr Glück den nächsten Tag nochmals versuchen zu wollen und stellten ihre Wagen in verschiedene Herbergen ein, indem sie natürlich selbst daselbst Quartier nahmen. In der Nacht aber als Alles schlief, da packten sie die Wagen ab, holten ihre Waffen heraus und brachen nun in die Häuser der wohlhabendsten Bürger ein, die sie sich schon vorher hatten bezeichnen lassen. Da sie nur auf einzelne unvorbereitete Männer trafen, so hatten sie anfangs leichtes Spiel, allein indem sie noch andere Grausamkeiten an Frauen und Kindern begingen, so konnte es nicht fehlen, daß sich bald ein allgemeines Hilfe- und Wehgeschrei in der Stadt erhob, es liefen nach und nach verschiedene Leute auf dem Markte zusammen und der tapfere Stadtvogt Hans Bleihan sammelte bald eine ziemliche Schaar muthiger Männer um sich, mit denen er zuerst die Thore besetzte, daß keiner der Räuber entrinnen könne, dann aber säuberte er die einzelnen Häuser von ihnen und da die Bösewichter natürlich Widerstand leisteten, so räumte er so unter ihnen auf, daß von den sechzig Mann, die in die Stadt eingedrungen waren, nur zwölf gefangen wurden. Diese wurden in den nächsten Tagen gehängt, dem Vogt aber die bewußte Ehrensäule errichtet.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 278-279.
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