gg) Rübezahl lässet sich für eine Wehe-Mutter gebrauchen.

[326] Auf einem Dorffe hatte ein Bauers-Knecht mit des Schulzen Tochter nahe zugehalten. Als sie nun beyde verspühret, daß gar gewiß was Junges drauf folgen würde, sind sie gleichsam gezwungen worden, solches ihren Eltern anzuvermelden, so denn ihnen anfänglich treflich hart zugesprochen, und höchlich verwiesen, aber hernach dahin getrachtet, wie in kurtzer Zeit die Hochzeit möchte angestellet werden, damit sie nicht den Leuten in die Mäuler kämen. Sind also innerhalb drey Wochen zusammen getrauet worden. Als etwan nach zehen Tagen die Mutter hat sollen eines Kindes genesen, kommt ein altes Weib für das Haus, und fraget, ob es nicht ihr und des Mannes Belieben wäre, sie wolte sich für eine Wärterin und Hebamme gebrauchen lassen. Welches denn endlich beyderseits gefallen. Als die Geburts-Stunden herzugenahet, hat der Mann etliche seiner Anverwandten und nahen Nachbarn Weiber gebeten, sie möchten doch bey seines Weibes Erlösung verbleiben. Wie nun die Frau das rechte Kind bekommen, bringt die Hebamme (als Rübezahl) zu wege, daß ihrer noch neunzehn folgen, worüber alle erschrocken, daß sie nicht gewußt, wo sie alle Kinder hinthun solten, werden hierauf Sinnes, den Priester holen zu lassen, welcher, als er in die Stube kommen, die Kinder mit Verwunderung noch alle beym Leben gesehen, als er aber eines nach dem andern wollen anrühren, sind sie zu Kinder-Puppen worden, biß er endlich das rechte ergriffen, und mit vielen Seufzen und Gebeth zur Tauffe gehoben, gleich aber, als das Kind getauft worden, ist die alte Hebamme wieder fortgegangen, und soll noch wiederkommen.

Diese vier vorhergehenden Historien, hat mir ein vornehmer und gelehrter Mensch auß Schlesien schriftlich eingeschickt, welchen ich zwar in[326] diesem geringen Wercklein nicht benennen wil, doch kan ich gleichwol nicht Umbgang nehmen, seiner ein wenig und unvermerkt alhier rühmlich zu gedencken, weil ich seiner nicht alleine vor Jahren, sondern auch noch neulichst, gar magnific genossen habe. Ich habe aber seiner mit mehrern Erwehnung gethan in meinem Thesauro Chiromantico, und vorne an in der Astronomischen Karten.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 326-327.
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