288. Die Annenkirche zu Schmiedeberg.

[339] (Nach Gödsche S. 275 etc.)


Das Städtchen Schmiedeberg, welches seinen Namen von den vielen Eisenschmieden hat, welche seit dem Jahre 1148 in dem sogenannten Habichtsgrunde angelegt worden sind, enthält ein kleines Kirchlein, die sogenannte Annenkirche, die im Jahre 1312 geweiht und errichtet worden ist. Zu jener Zeit war die Stadt noch ein Dorf und hier lebte ein sehr reicher, aber auch sehr hartherziger Mann, der eine Tochter hatte, Anna, nach ihrer Schutzpatronin genannt. Das schöne Mädchen hatte viel Freier, allein nur einer, ein armer Schmiedeknappe gefiel ihr. Ihr Vater aber war weniger mit demselben zufrieden, weil er ein armer Teufel war, und verbot ihm deshalb das Haus. Die Tochter aber lag Tag und Nacht auf den Knieen und betete zu ihrer Schutzheiligen um Hilfe in ihrer Liebesnoth. Da träumte sie einmal des Nachts, sie sähe die heilige Anna im milden Strahlenkranz vor sich stehen, und die Heilige sprach zu ihr: »Stehe auf und nimm den Hammer Deines Liebsten und gehe damit in die Berge den Grund entlang, und wo der Hammer zur Erde fallen wird, auf selbiger Stelle wird er sich in Gold verwandeln.«

Das träumte die Jungfrau auch in der zweiten und dritten Nacht, und als sie es zum dritten Male geträumt hatte, da faßte sie Glauben daran, stand mit der Sonne auf und rief heimlich ihren Geliebten, daß er seinen Schmiedehammer nehme und mit ihr in die Berge gehe. Die Jungfrau trug den großen Hammer. Als sie aber eine Strecke zwischen den Bergen fortgegangen waren, wurde die Last der Jungfrau zu schwer, daß sie ihn nicht weiter zu tragen vermochte und er zu Boden fiel. Begierig schauten sie zu; aber der Hammer blieb Eisen wie zuvor und das Versprechen der Heiligen wollte nicht in Erfüllung gehen.

Darob vermaß sich der Knappe ungeduldig und hielt Alles für einen bloßen Traum. Die Jungfrau aber meinte, in der Verheißung ihrer Schutzpatronin werde wohl ein heimlicher Sinn liegen. Darauf bat sie ihren Geliebten, das Gestein an dem Orte näher zu untersuchen, und als er es gethan, fand er so gewaltige Eisensteine, daß er nicht mehr zweifeln konnte, daß der Ort eine reiche Ausbeute geben werde. Darauf gingen sie heim, erzählten das Wunder und holten Bergleute, um alsbald da einzuschlagen. Die Bergleute gruben an der bezeichneten Stelle nach und fanden eine gute Ader, so daß bald die Grube die reichhaltigste in der ganzen Gegend ward und das schönste Eisen gab. So verwandelte sich für den armen Knappen, der mittlerweile zum Herrn der Grube ward, das Eisen zu Gold, er freite nun mit besserem Glück um seine Anna und diese erbaute dann nach ihrer Verehelichung ihrer Schutzpatronin das gedachte Kirchlein. Die Grube ist jedoch später wieder versiegt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 339.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band