292. Die Sagen von dem Moosbruch.

[351] (Nach Kastner a.a.O. S. 15.)


Bei dem Dorfe Reiwiesen, einem der höchsten des ganzen Sudetengebirges, breitet sich die ebene Hochfläche des sogenannten Moosbruches aus, eines Torfmoors, welches die schwarze Oppa durchfließt und früher ganz[351] bewachsen gewesen sein soll. Auf dem weiten Bergraume, dessen Boden unter den Füßen des Wanderers erzittert und bei jedem Tritte schwärzliches Wasser emporquellen läßt, liegt gegen Abend ein großer dreieckiger Teich, und gegen Morgen eine Stunde Weges entfernt ein runder kleinerer. Da wo jetzt der große Teich ist, stand einst eine große Stadt, Hunstadt genannt, hierher kamen einst die mährischen Apostel, Cyrillus und Methodius, um sie vom Heidenthum zum Christenthum zu bekehren, allein die Bewohner der Stadt jagten die heiligen Männer gewaltsam zu den Thoren hinaus, da riefen die Vertriebenen, als sie unfern des Orts gekommen waren, Gott an, die ruchlose Stadt versank vor ihren Augen und an ihrer Stelle zeigt sich die Fläche eines See's, der in seiner Tiefe die Kostbarkeiten und Reichthümer der untergegangenen Stadt birgt. Welsche sind vor Zeiten dahin gekommen und haben viele Kleinodien aus dem Wasser geholt.

Eines Morgens ist ein stattlicher Reitersmann in der Gegend des unfern von den Bruchseen gelegenen Reiwiesen's zu einem Bauer gekommen, mit der Bitte, ihm die Seen zu weisen. Der Bauer willfahrt des Fremden Begehr und geleitet denselben zum Rande des größern See's. Da giebt der Fremde sich als einen Welschen zu erkennen und vertraut dem Bauer, daß er aus Welschland eigens hergekommen, die Moosseen zu suchen und die darin befindlichen Schätze zu heben, erzählt ihm auch sonst noch fast seltsame Sachen, wie er schon in viele Seen eingefahren und wie es in diesen beschaffen sei. Als die Sonne den eilften Abschnitt des Tages vollendet, ist der Welsche vom Rosse, so ein Schimmel gewesen, abgesessen, hat es dem Bäuerlein zu halten gegeben, nachdem er es vorher gebeten, dasselbe bis zu seiner Wiederkunft, oder bis er ihm ein Wahrzeichen gesendet, zu halten. Dann hat er zu ihm gesagt: »So der See, nachdem ich eine Stunde bin innen gewesen, anfängt zu schäumen, sollst Du das Rößlein besteigen. Schäumt weiß aus der Tiefe der Schaum, sollst Du warten meiner fröhlichen Wiederkunft und der Theilung des unterirdischen Gutes, schäumt aber roth aus dem Schlunde der Schaum, dann sporne das Rößlein, so viel Du vermagst, und eile von dannen ohne Umsehen. Das Rößlein sei Dein als Lohn und Gedächtniß an diese Stunde.« Wie nun senkrecht die Sonne auf ihre Häupter fällt, da stürzt sich der Welsche nackt, nur mit einem wunderlichen Stabe versehen, in die Tiefe. Das Bäuerlein betet vor Angst inbrünstig auf den Knieen, das Rößlein steht ruhig bei ihm. Plötzlich wird es unruhig, das Bäuerlein hört fernes Brausen im See. Des Welschen Worte eingedenk besteigt er das schnaubende Rößlein, näher und näher brausen die Wogen. Dem Bäuerlein vergeht vor Angst das Gesicht und als er wieder zu erkennen vermag, so sieht er den weißen Schaum des See's und von einer mächtigen Woge den Welschen getragen, den ein Wellenschlag ans Ufer wirft. Der Bauer eilt zu dem Welschen, den er dem Tode nahe in völliger Erschöpfung findet. Bald aber erholt er sich, zieht seine Kleider an, besteigt das Rößlein und entfernt sich eilends, nachdem er dem Bauer gedankt und ein Beutelchen gegeben, mit der Weisung, es nicht zu öffnen, auch Niemand zu zeigen, bis er's wieder zu holen kommen werde. Der Bauer, neugierig, was in dem leichten Beutelchen, versucht's zu öffnen und da er nach seiner Meinung nichts darin findet, als ein Paar Erbsen, wirft er's bei Seite. Nach mehreren Wochen kommt ein Bote an den Bauer nach dem Beutel.[352] Der hat ihn nicht und will auch nichts von dem Welschen mehr wissen, da er ihn so schlecht belohnt. Als aber der Bote ihm einen großen Sack mit Goldstücken zeigt, die er haben soll, wenn er dem Welschen das Beutelchen zurückstellt, sucht er's hervor und giebt es dem Boten zurück, der sich mit demselben, worin eitel Zahlperlen waren, entfernt. Von dem Welschen und seinem Boten hat Niemand etwas mehr gehört, das Bäuerlein aber hat von den Goldstücken, deren mehrere Hundert waren, das Dorf Reiwiesen erbaut und in großem Wohlstande bis an sein Ende gelebt. Wohl Manche aber haben noch später nach den verborgenen Schätzen des See's gesucht, doch nie hat der See weißlich geschäumt, roth stets leuchtete der Spiegel, so oft er ein Opfer der Habsucht verschlang.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 351-353.
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