1234. Die Fahrt und der Tanz um den Roland.

[1004] (S. ebd. Bd. VI. 6. 397.)


In Bramstedt besteht der sogenannte Rolandstanz noch heute. Derselbe wird von der im Jahre 1674 gegründeten Fleckensgilde alle Jahre am Dienstage nach Pfingsten genau bei Sonnenuntergang (warum, ist unbekannt) abgehalten. Bei dieser Gelegenheit begeben sich alle versammelten Gildemitglieder mit ihren Frauen am Arme in einem langen Zuge, unter dem Klange rauschender Musik und unter Anführung des Kirchspielsvogt als Ortsobrigkeit vom Versammlungslokale nach der dort aufgestellten Rolandssäule, um welche sich der ganze Zug im muntern Tanze dreimal bewegt. Nach beendigtem dreimaligen Rundtanze kehrt dann die ganze Festgesellschaft wieder ins Gildehaus zurück, um dort den festlichen Jahres- (Abrechnungs-) Tag mit Tanz, Gesang und Spiel zu beenden.192

An demselben Orte war es Sitte, daß jede Braut, die von einem fremden Orte nach Bramstedt verheirathet ward, sammt ihrem mitgebrachten Brautgute erst dreimal um den Roland gefahren ward, ehe sie in das Haus ihres zukünftigen Ehemanns einzog.

Es geht an demselben Orte auch die Sage, daß sich der Roland bei dem Glockenschlage, der die Mitternachtstunde verkündigt, umdreht. Noch jetzt hört man daher dort oft in später Gesellschaft die scherzhafte Mahnung zum Aufbruch: »Nun ist es zwölf, jetzt dreht sich der Roland um!«

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In Baiern ist etwas Aehnliches das St. Leonhardsfahren (s. Zöpfl, Die Rolandssäule S. 215. 203.) Ueber das Rolandsfest s.d. Jahrb. f. Schlesw. Bd. V. S. 145-152.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1004-1005.
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