1237. Die Kapelle in Klein-Zecher.

[1006] (S. Jahrb. Bd. IV. S. 146.)


Im Dorfe Klein-Zecher stand ehemals eine Kapelle aus alter Vorzeit, neben welcher eine heilige Quelle floß, wohin zahlreiche Wallfahrer wanderten; von diesen Wallfahrten rührt noch jetzt der kurz nach Michaelis stattfindende Markt her. Die Quelle fand sich, der Sage nach, zuerst in einer Pferdespur; der gemeine Mann glaubte, daß das heilige Wasser ganz besonders gichtische Lähmungen und Augenkrankheiten heile. Die Kapelle stand da, wo jetzt das Schulhaus steht, ist auch erst vor 80 Jahren ganz abgebrochen. Die Ehrfurcht vor diesem Heiligthum war aber unter den betreffenden Arbeitern so groß, daß keiner zuerst die zerstörende Hand anzulegen wagte, bis ein Kornschreiber vom Hofe Seedorf den ersten Anhieb mit derbem Fluche that; dafür ist ihm aber die frevelnde Hand später unverweset aus dem Grabe herausgewachsen. Demnach ward Alles demolirt, zwei Wagen voll hölzerner Krücken, welche Gichtbrüchige dort vormals als Weihgeschenk zurückgelassen hatten, wurden auf dem Felde verbrannt. Die Quelle ward verschüttet und soll dann auch ganz versiegt sein, weil man das Wasser, welches göttlich und heilig war, zur Cur blinder Pferde und Ochsen entweihte. Die kleine Glocke der Kapelle sollte nach Hof Groß-Zecher geführt werden, um sie an einer Scheune zu befestigen und künftig damit zum Essen zu läuten; allein sechs Pferde konnten sie nicht von der Stelle bringen, als man dann aber beschloß, sie nach der Seedorfer Kirche zu bringen, zogen zwei Ochsen sie leicht dahin.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1006.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band