1276. Die Prophetin Heertie.

[1042] (S. Heimreich Bd. II. S. 271. I. S. 34.)


Um die Mitte des 15. Jhdts. hat bei Gottorp eine Frau gelebt, so Heertie oder Hertha hieß, die angeblich im Jahre 1400 zu Wiedingharde oder Gosharde durch den Kaiserschnitt aus ihrer Mutter Leib geschnitten worden war, später aber nach Bredstedt zog, wo sie auch gestorben ist. Sie hat Zeit ihres Lebens für eine Art Zauberin gegolten, man hat sie auch einmal nach Gottorp gefordert, und ihr dort heimlich, ohne daß sie das Geringste davon wußte, Eier unter ihr Bettkissen gelegt, als man ihr nun hieß, sie solle sich darauf legen, hat sie sich dessen geweigert und gesagt, sie wolle keine Eier ausbrüten. Sie weissagte aber Folgendes.

Es wird ein goldener Ring um Wiedingharde gelegt werden, der wird keinen langen Bestand haben. Dann werden zwei Dämme geschlagen werden, der eine von Tundern, der andere von Rüttebüll nach Brunßodd; daran wird man 7 Jahre bauen, er wird viel Geld kosten, aber nicht lange bestehen. Nach der Zeit wird viel Schande und Laster ins Land kommen und keine Ehre mehr geachtet werden. Dann wird ein Deich aus Goßharde ins Moor geschlagen, nach etlichen Jahren aber ein anderer Deich aus dem Moore in Wiedingharde. Diese werden beide bestehen. Wehe den Menschen, die dann leben, wenn die Leute vier Arme bekommen und zwei Paar Schuhe über die Füße tragen und zwei Hüte auf dem Kopfe haben und wenn die Würmer aus den Kleidern kriechen. Wehe den Menschen, die dann leben, wenn die großen Pfennige kommen, denn wenn diese da sind, dann wird die große Noth auch kommen. Wehe den Menschen, die da leben, wenn Geld von Geld geschlagen wird. Die Zeit wird kommen, daß wenn einer Abends Geld aufnimmt, er es des Morgens nicht wieder wird ausgeben können. Die Zeit naht, wo Blumen vor Endermanns Hausthür stehen werden. Die Zeit wird kommen, daß der Priester wird seine Platte bedecken und sagen, er sei kein Priester, und der Ritter wird sein Schwert vornehmen, seinen Finger emporhalten und sagen, er sei kein Edelmann. Die Herren wird ihr eigen Land verschlingen. Die Zeit wird kommen, wo man die Menschen nicht mehr bei ihren eigenen Namen rufen, sondern mit Thiernamen nennen[1042] wird. Den Bauern wird ihre Kuh genommen werden, wenn aber die Kuh weg ist, dann werden sie das Kalb selbst wegthun und keine Heerde mehr zusammengebracht werden. Es wird ein Baum auf Nynkarken aus dem harten Steine hervorwachsen, darauf wird ein schwarzer Vogel weiße Jungen hecken. Nach der Zeit wird eine große Schlacht bei Flensburg in Harsledahl geschlagen werden, daß man bis über die Knöchel im Blute gehen wird. Nynkarken wird ein Fährhaus werden. Nynkarken wird mitten ins Land kommen. Es werden Fremde ins Land nach Wiedingharde kommen, die Männer in das Haff jagen und in die Häuser laufen um da zu plündern. Da wird aber ein alter Mann mit einer Glatze auf dem Kopfe sagen: es ist besser ehrlich zu fechten, als so schändlich zu ertrinken, und wird ausrufen: »Haltet an, wir wollen ehrlich kämpfen!« Da werden die Wiedingharder wieder umkehren und alle erschlagen, welche sich zerstreut haben. Die Zeit wird aber kommen, wenn der Bauer seine Quelle einzäunen will und einen Mann in bunten Kleidern kommen sieht, da wird er zu seinem Nachbar laufen und rufen: »Komm und hilf mir den Mann todtschlagen!« Ach Wiedingharde wird noch vor Noth vergehen. Wehe denen, welche noch leben, wenn Winter und Sommer sich vermengen. Die Zeit wird kommen, wo ein wohlgekleideter Edelmann zu einem Bauer beim Pfluge mit grauem Rocke tritt, und wird ihn bitten, daß er seinen Rock mit ihm vertausche. Wenn die Berge zu Thal kommen und Mißwachs aufgeht, dann wird es schlecht mit der Welt aussehen. Es wird auch Dezbull und Risum von dem Wasser verzehrt werden und ein Priester das ganze Moor regieren. Wie Lindholm die erste Kirche gewesen ist, wird sie auch die letzte sein. Es werden zuletzt alle diese Länder durch Wasser vergehen und der Schiffer wird zu seinem Steuermann sagen: »Hüte Dich vor dem Holmer Sand.«

Hertha hat einmal einen halben Becher voll Doppelschillinge gehabt, den hat sie Agathe Godber Nissens Großmutter aufzuheben gegeben, als sie ihn wiederbekommen, hat sie gesagt: »Ich weiß, daß Du von diesem Golde nicht mehr angerührt hast, als diesen einen Pfennig, den Du umgedreht hast!«

Einmal ist sie von einem Todtschläger gefragt worden, ob er seines Feindes Zorn und Tücke entgehen werde, da sagte sie: »Gehe ihm nur unverzagt gerade entgegen, und sieh Dich dabei nicht um!« So ist es auch geschehen, er ist unverletzt davon gekommen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1042-1043.
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