1278. Hans Hildebrand.

[1044] (S. Jahrb. Bd. IV. S. 167.)


Ein Bauer in Holstein, Namens Hans Hildebrand, der hatte eine Frau. Einst wollte er, daß sie spinnen sollte, sie aber sagte: »Das ist recht gut und schön, ich habe aber kein Spinnrad!« – »Ja«, sagte er, »dann will ich in den Busch gehen und Holz hauen.« Als er nun in das Gehölz kommt und den ersten Hieb that, da rief eins: »Hans Hildebrand lebt nicht lange, wenn er aber seine schwarze Kuh schlachtet, dann lebt er noch lange!« – »Teufel!« denkt er, »was ist das? Das Spiel hat mehr zu bedeuten!« Er geht also nach Hause und erzählt es seiner Frau. »Ja«, sagte seine Frau, »Vater, dann möchten wir wohl gleich die alte schwarze Kuh schlachten!« – »Ja, Mutter«, antwortet er, »lasset uns dies nun gleich thun!« So schlachteten sie dieselbe.

»Höre einmal, Mutter«, sagte er nun, »Du hast schon lange einen Mantel haben wollen, nun nimmst Du das Fell, hängst es um und gehst damit nächsten Sonntag in die Kirche!« Dies thut sie auch, kommt damit an, und da die Hörner noch an dem Felle saßen, so dachte der Pfaffe und die Leute, es sei der Teufel. Es ward allen sehr bang und der Pfaffe betete: »Für den Teufel, Gott uns bewahre, erhalte uns auf rechten Wegen!« Alles lief nun aus der Kirche und zuletzt mußte sie auch heraus. Indeß ward sie beobachtet, wo sie hinging, und so ward es bekannt, daß sie Hans Hildebrands Frau war. Der Pfaffe schickte nun Hans Hildebrand den Befehl, er solle zu ihm kommen, stellte ihm die Sache vor, was für eine große Sünde er begangen habe, und sagte: »Diese Sünde kann ich Dir gar nicht vergeben, Du mußt nach Rom zum Papst gehen, daß der Dir Deine Sünde vergiebt!«

Hans Hildebrand geht nun wieder nach Hause und erzählt Alles seiner Frau. »Ja«, sagte die Frau, »Vater, wenn Du dies mußt, so mußt Du freilich hin zum Papste, hier sind fünf Brode, die kannst Du mitnehmen, daß Du unterwegs was zu leben hast!« So ging denn Hildebrand auf die Wanderschaft. Seine Frau ließ aber Abends dem Pfaffen sagen, er solle doch ein bischen herüber zu ihr kommen des Kuhbratens wegen. Unterwegs begegnete aber Hans Hildebrand dem Brodträger, der sonst immer des Nachts bei ihm blieb, und erzählte demselben seine Geschichte. »O!« sagte der, »was bist Du für ein Narr, während Du Dich mit Deinen fünf Broden schleppst, ist der Pfaffe bei Deiner Frau!« – »Das glaube ich mein Leben lang nicht«, meinte Hans Hildebrand. – »Komm, steige in meine Kiepe, ich trage Dich in Dein Haus und hänge Dich an die Wand!« Nun kommt der Brodträger in sein Haus und will wie gewöhnlich da bleiben; zwar will[1044] es die Frau nicht haben, allein der Pfaffe redet ihr zu und sagt: »Kind, laß ihn immerhin bleiben, er kann mitessen!« Als sie mit Essen durch sind, da sagt der Pfaffe: »Wir müssen jetzt auch eins singen!« Nun reden sie hin und her, was das sein soll, endlich sagt der Pfaffe: »Ich werde anstimmen: Einen Boten habe ich ausgesandt, nach Rom wohl in das fremde Land.« Die Frau singt wieder: »Fünf Brode hab' ich ihm mitgegeben, davon soll er ganz kümmerlich leben!« Der Brodträger aber besinnt sich und singt: »Hörst Du das wohl, Hans Hildebrand | Sitzest in der Kiepe | Hängst an der Wand?« – »Siehe«, sagte der Pfaffe, »das war ein niedlich Ding, das müssen wir wiederholen!« So singt er dasselbe noch einmal, zuletzt aber fängt der in der Kiepe an: »Nun kann ich nicht mehr stille schweigen | Nun muß ich aus meiner Kiepe raussteigen!« Einen eichenen Knüppel hatte er sich schon vorher besorgt, damit trieb er den Pfaffen aus der Stube und dem Hause hinaus. Ob aber die Frau auch etwas mit wegbekommen hat, davon schweigt die Geschichte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1044-1045.
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