1341. Die Wolterkens.

[1083] (S. Müllenhoff S. 317.)


Die Wolterkens finden sich im Schleswigschen gemeiniglich in Häusern, wo ein guter Vorrath von allen Dingen ist. Sie zeigen sich sehr dienstfertig, waschen in der Küche auf, machen Feuer an, putzen die Pferde im Stalle, füttern das Vieh, daß es fett und glatt wird, führen es zur Tränke etc. Man kann sie des Nachts die Treppen hinauf- und hinablaufen und lachen hören, wenn sie den Knechten und Mägden die Bettdecken herunterziehen. Die Hausnissen und Hausknechte schleppen dem Nachbar das Futter weg und tragen es ihres Wirthes Kühen oder Pferden zu, daß das Vieh des Nachbars verhungere und das ihres Wirthes gedeihe und fett werde. Sie sollen, sagt man, so lange bleiben bis die Nahrung ihres Hauswirthes anfängt abzunehmen und sich das Glück desselben wendet und man anfängt, ihrer zu spotten, denn Spott können sie nicht vertragen, dann verlieren sie sich aus den Häusern, also daß man nichts mehr von ihnen vernimmt.

Wenn den Hausnischen, die man auch Hauspuken nennt, etwas zu nahe geschieht, machen sie Nachts einen greulichen Lärm, daß Niemand schlafen kann, sie zerbrechen den Hausrath und werfen mit Steinen. Wenn einer in einem Hause zu wohnen begehrt, trägt er einen Haufen Späne zusammen, füllt die Milchfässer mit Milch an, aber beschmutzt sie mit allerhand Viehdreck. Wenn nun der Hausvater das vermerkt, so esse und trinke er nur getrost mit seinem Hausgesinde die Milch und thue er den Spanhaufen nicht weg von einander; so ist das ein Zeichen für ihn und er bleibt im Hause. Dann wird Alles im Hause wohl bestellt, das Vieh ist des Morgens gefüttert, die Tennen sind gefegt, und das Korn, das am Tage gedroschen werden soll, wird des Nachts heruntergeworfen und zurecht gelegt. Ist das Vieh krank, so kennt und holt er für dasselbe die heilsamsten Kräuter. Dann sagt man: »Niß Puk muß gearbeitet, gesorgt, gefuttert und gefegt haben«, und wo Segen und Wohlstand ist, heißt es: »Da wohnt oder regiert Niß Puk.«

Gemeiniglich pflegt nämlich zur Zeit nur einer in einem Hause zu wohnen und einen solchen nennt man Niß Puk oder auch Nißkuk. Darnach heißt wohl auch das Schulkinderfest in Meldorf, dann zieren die Mädchen die Schulstube mit Blumen und Nachmittags und Abends wird getanzt und dann sagen sie: »Wir haben Neßkuk, wir feiern Neßkuk.«

Die Nisken halten sich stets in finstern verborgenen Winkeln des Hauses und der Ställe auf, oft auch in den Holzhaufen. Sie verschwinden vor Jedem, der sich ihnen nähert. Abends aber müssen die Leute den Feuerherd sauber aufräumen und zum Dienst der dienstfertigen kleinen Leute einen Kessel mit reinem Wasser hinsetzen. Auch begehrt der Niß Puk allezeit, daß eine Schüssel mit süßer Grütze, Butter oder Milch ihm an einen Ort gestellt wird. Daher pflegt die Hausfrau, wenn sie irgendwo eine Schüssel mit Essen herumstehen findet, die Mägde zu fragen, ob das für Niß Puk hingesetzt[1083] sei. Leute aus der Landschaft Stapelholm, die den Niß Puk gesehen haben, beschreiben ihn also, daß er nicht größer als ein ein- oder anderthalbjähriges Kind sei. Andere sagen, er sei so groß wie ein dreijähriges. Er hat einen großen Kopf und lange Arme, aber kleine, helle kluge Augen. An den Füßen trägt er ein Paar rothe Strümpfe, um den Leib eine lange graue oder grüne Zwillichjacke und auf dem Kopfe eine rothe spitze Mütze. Gar gern hat er auch ein Paar weiche Pantoffeln, und wenn er's recht gut hat, so kann man ihn Nachts darin auf dem Boden flink herum schlurren hören. Diese Wesen offenbaren sich aber auch oft in scheußlicher Gestalt, und jagen dem Hausgesinde einen Schrecken dadurch ein, worüber sie dann immer mit einem Gelächter ihre Freude bezeigen. Mit dem Büsemann, der im Stalle wohnt, macht man unartige Kinder bange, auf Föhr hält man sie mit dem blinden Jug in Furcht, in Dithmarschen mit dem Pulterklaes. Wer aber kennt nicht den fürchterlichen Roppert!

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1083-1084.
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