1345. Die nächtliche Trauung.

[1086] (S. Bechstein a.a.O. S. 178.)


Nahe bei Apenrade geschah es, daß der Pfarrer eines ohnweit der Ostsee gelegenen Dorfes in der Nacht von ein Paar Matrosen aus dem Bette geholt wurde, welche ihm einen schweren Beutel mit Goldstücken vorhielten, und ihm sagten, diese solle er erhalten, wenn er ihnen alsbald in seinem Ornate zur Verrichtung einer heiligen Handlung folgen wolle, wo nicht, so müsse er unfehlbar und auf der Stelle sterben. Der Prediger folgte seinen[1086] rauhen Führern zur Kirche, die in einer ziemlichen Entfernung vom Dorfe einsam stand. Er sah sie von innen erleuchtet und eine Anzahl bewaffneter Seeleute in fremder Tracht erfüllten ihre Räume. Er wurde zum Altar hingeleitet, dort stand ein junger Herr in reicher Tracht und eine Dame im Brautschmuck, hinter ihnen aber war die Gruft geöffnet. Da wurde dem Priester befohlen, das Paar zu trauen, und er that es nicht ohne Beben, und als das Paar verbunden war, ward ihm weiter anbefohlen, eine Grabrede zu halten an dem offenen Grabe, als ob er Jemand begrabe, und er that dies auch nicht ohne Beben. Da er nun vollbracht hatte, was von ihm verlangt worden war, so ward ihm ein furchtbar schwerer Eid abgenommen, nun und nimmermehr zu sagen, was er hier gesehen und was durch ihn geschehen sei. Hierauf ist er von Grauen ergriffen, die Kirche hinter sich, eilends nach Hause gegangen, aber noch war er nicht weit von der Kirche, so hörte er in ihr einen starken Schuß fallen und einen lauten Aufschrei aus Frauenmund, und er enteilte ganz bestürzt und fast sinneverwirrt nach Hause. Er fand aber keine Secunde Schlaf und eilte mit dem Frühesten wieder nach jener Kirche hin. Auf hoher See sah er einen stattlichen Dreimaster mit russischer Flagge schwimmen. Als der Pfarrer in die leere Kirche trat, fand er Alles in bester Ordnung, aber in dem offenen Grabe, daran er in der Nacht die Leichenrede gesprochen, lag die Leiche der Braut, die er hatte trauen müssen, mitten durch's Herz geschossen.203

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Diese Sage wird auch auf Anholt erzählt, desgleichen von Lunden in Norderdithmarschen und von Röttwig auf Seeland. Nach der Erzählung von Steffens ist sie nacherzählt von Leonhard Lyser, Abendl. 1001 Nacht Bd. XII. S. 104 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1086-1087.
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