564. Wie der Teufel einen Schusterjungen entführt hat.

[553] (S. Hennenberger S. 234 etc.)


Im Jahre 1595 hat zu Königsberg im Kneiphof ein Schuhmacher, Franz Cyro gewohnt, der hat einen Lehrjungen gehabt, Martin Ferber von Salfeld, ohngefähr in dem Alter von 19 und 20 Jahren, zu dem ist in der Nacht des 13. März in seines Meisters Haus der leidige Teufel gekommen, als der Junge in einem Bette bei einem andern Schusterjungen gelegen, in was für einer Gestalt aber wußte er nicht zu sagen, sondern er hat nur zwei große brennende funkelnde Augen gesehen, welcher den Schlummernden mit den Worten angeredet hat: »Schläfst Du?« Darauf hat dieser geantwortet: »Nein« und gesagt: »Meister seid Ihr's?« Sagt der Teufel: »Ja ich bin's«, vor welcher Stimme (die wie aus einem hohlen Topfe geredet) der Lehrjunge sich fast entsetzt hat, erschrocken ist und gerufen hat: »Berath uns Herr Jesu Du Sohn Davids« und hat das Bett über den Kopf gezogen. Ueber eine halbe Viertelstunde hat jener sich abermals merken und hören lassen, ihm auch das Deckbett vom Kopfe gerissen und gefragt, ob er in seiner Gewalt sein wolle, er aber hat nichts antworten können, denn die Sprache war ihm ausgegangen; weiter hat jener ihn ermahnt, er solle sich den folgenden Tag vor der Stadt einfinden, oder wo es ihm gefiele, er wolle daselbst bei ihm sein, er solle es aber Niemandem sagen. Hernach ist der Junge wieder eingeschlafen und hat also geschlafen bis an den Morgen. Wie er aber aufgestanden, ist ihm über die Maßen angst und bange gewesen, er hat aus Furcht Niemandem solches offenbaren wollen, bis um Mittag, wo er dann seinem gedachten Meister gleich wie gezwungen, was mit ihm vorgegangen ist, erzählt hat. Als nun der Meister aus dem Hause geht, einen Prediger zu holen, folgt er ihm stracks nach und kommt bei der Kneiphöfischen Badestube aufs Bollwerk, woselbst sich der Teufel sehen läßt in Hosen und Wamms, mit Füßen wie ein Hahn, und spricht zu ihm: »Kommst Du?« Er hat nichts geantwortet, der Teufel aber faßte ihn, wie aber und bei welchen Gliedmaßen seines Körpers wußte er nicht zu sagen, und führte ihn über den Pregel nach dem Kneiphöfischen Aschhof in einen Garten in einem Winkel gelegen, auf der rechten Seite, nach der Wiese gegenüber zu. Wie er da hineingekommen, konnte er auch nicht sagen, hier führt er ihn in das Thürmchen[553] hinauf in das Gemach, darin ein runder Tisch und ein Haufen einzelner Stühle mit Lehnen gestanden, diese sind besetzt gewesen mit einem Haufen Teufel, die in Hosen und Wämmsern von Seide bekleidet gewesen sind und an ihren Hälsen goldene Ketten gehabt haben. Auf dem Tische hat eine schwarze Decke gelegen, darauf stand eine Schüssel gehäuft voll Braten und herum hat eine Menge langer Gläser gestanden, die Teufel aber haben wacker gegessen und die Gläser rein ausgetrunken. Ein Sackpfeifer hat dazu aufgespielt. Der Schusterjunge hat aber neben dem mit dem Hahnenfuß gesessen und hat mit gegessen und getrunken, wenn er sein Glas aber nicht ausgetrunken, ist ihm solches von seinem Führer wiederum vorgestoßen worden, also daß er es hat austrinken müssen. Sein Führer hat ihn auch vermahnt, er solle nicht traurig sein, sondern fressen und saufen, was er auch gethan hat, und er sagte auch, es habe ihm wohlgeschmeckt, und er hat gleiche Kleidung gehabt wie die andern. Dann haben sie zusammen geschwatzt wie durch hohle Töpfe, was es aber gewesen ist, das hat er nicht verstanden. Als nun das Tischtuch und was darauf gewesen, verschwunden ist, hat auf dem Tische ein Haufen Goldmünzen gelegen und sein Führer hat ihn angehalten, er solle sich davon nehmen, so viel er wolle, wenn er sein eigen sein wolle, Martin aber hat geantwortet: »Ich will nicht.« Nachher sind einige nach der Pilckentafel gekommen, haben daselbst gespielt und geklappert, Martin will nun auch nach der Thüre die hohe Wendeltreppe hinunter, da folgt ihm der Führer und spricht: »Wo willst Du hin? Du kannst doch nicht hinauskommen!« Er aber hat geantwortet: »Wie ich hereingekommen, so werde ich auch wieder hinauskommen!« Der Satan aber sprach: »Ich habe Dich hineingebracht, will Dich aber nicht wieder hinausführen!« Martin aber sagte: »Gott hat mir hier hereingeholfen, der wird mir auch wieder heraushelfen!« Darauf hat ihn der Satan angefaßt und die hohe Treppe hinuntergestürzt, also daß er auf die Seite zu liegen gekommen ist, er hat sich aber bald wieder aufgerafft, ermuntert und gerufen: »Jesus Du Sohn Davids, errette und erlöse mich aus des Teufels Gewalt!« Nach solchem Fall und Gebet kömmt einer zu ihm in weißen Kleidern und mit einem Bande um die Lenden gegürtet, in Gestalt eines schönen weißen Jünglings, mit gelben Haaren, der fragt ihn, was er da mache und wer ihn dahin beschieden habe, und wie er hineingekommen sei. Er aber hat ihm geantwortet: »Das weiß ich nicht, unser Herr Jesus weiß es am Besten.« Der Jüngling aber, der ohne Zweifel ein guter Engel gewesen ist, hat gesagt: »Du sollst nicht mehr dort hineinkommen, wo Du gewesen bist!« Hierauf hat er ihn angefaßt, über die Planken und Gräben auf einen Misthaufen gebracht, ist bei ihm eine Weile stehen geblieben, hat ihm das Koller vom Halse gelöst, das nicht sonderlich groß war, und hat gesagt: »Ich nehme es nicht Deiner Hoffarth wegen, sondern Andern zum Exempel und Spiegel, welche die Koller zwei-, drei- und viermal größer tragen, die große Todsünde damit begehen« und sagt weiter zu ihm (denn er ist sein Leben lang an den Ort nicht gekommen): »siehe nach dem Kneiphöfischen Thorthurm und richte Dich darnach, so wirst Du Dich wohl zu Hause finden!« Zuletzt hat er ihm befohlen er solle die Andern vermahnen, sie sollten die großen Koller, wie auch die welschen Bäuche und Hosen und die hoffärthigen fränkischen Mützen ablegen, sonst werde der allmächtige gerechte Gott sie schwer bestrafen, er solle auch den Herren anzeigen, daß[554] sie daneben die wucherischen Händel abschaffen und sich denen von Danzig nicht gleichmäßig halten, die ihre Strafe zu seiner Zeit wohl bekommen würden, denn er werde sie auch nicht ungestraft lassen, wo sie nicht Buße thäten.

Als er nun zu Hause geht, kömmt der vorige Teufel in gleicher Gestalt wieder zu ihm und fragt, wo er hin wolle. Er antwortet: »Nach Hause«, da sagt der Teufel zu ihm: »Du kannst nicht nach Hause kommen, Du hast mit mir gegessen und getrunken, Du mußt bei mir bleiben, doch willst Du mein sein, so will ich Dir wieder nach Hause helfen!« Da antwortet der Junge: »Unser Herr Gott hat mir aus dem Garten geholfen, er wird mir auch nach Hause helfen!« Da ist er verschwunden, der Junge wußte nicht, wie er wieder zu Hause gekommen ist, er hat an seinem Arme eine schwarze Binde geknüpft mitgebracht, woher er sie bekommen, wußte er nicht, dieselbe ist im Feuer verbrannt worden. Er ist nun sechs Tage lang im Kopfe verworren gewesen, und hat drei Tage im Bette gelegen, krank und schwach, die Glieder sind ihm wie zerschlagen und zerschmettert gewesen, er hat auch nichts gegessen, endlich hat er nach Empfang des h. Sacraments des wahren Leibes und Blutes Jesu Christi ziemlich Ruhe gehabt, fast vierzehn Tage lang, aber darnach hat ihn der Satan abermals angelaufen, ist in der Nacht des 3. April wiedergekommen und hat gesagt: »Siehe, finden wir uns hier? Komm, Du mußt mit!« Er aber hat sich aufgerichtet und hat gesagt: »Bist Du Jesus Christus Gottes Sohn, so will ich mit!« Darauf ist jener verschwunden, er hat zwar im Hause noch lange große Angst empfunden, allein durch Gottes Gnade ist er doch von dem Bösen ganz befreit worden.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 553-555.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band