565. Der Messerschlucker von Königsberg.

[555] (S. Hartknoch, Alt- u. Neu-Preußen S. 349-384 [m.s. Portr. u. Abbild. d. Messer.])


Am 19. Mai des Jahres 1635 begab es sich, daß ein Bauersknecht von Grünwald, sieben Meilen von Königsberg, Namens Andreas Grünheide, sich übel in seinem Magen befand. Deswegen nahm er ein Messer, faßte solches bei der Spitze und wühlte mit dem Hefte im Schlunde, in der Meinung, sich also zu übergeben und zu erbrechen. Aber das Messer entfuhr ihm und ging bis in den Magen hinab. Er stellte sich nun auf den Kopf, drehte die Beine in die Höhe in der Meinung, das Messer werde wieder herauskommen, als dies aber nicht geschah, so setzte er eine Kanne Bier darauf und spülte es vollends hinab. Darauf ward dieser arme Kerl nach Königsberg zum Doktor Becker gebracht, derselbe ließ ihn den 9. Julius in Gegenwart anderer Aerzte auf ein Bret binden und nach vorhergehender Application des magnetischen Pflasters durch einen Schnitt zwei Finger breit in die Länge, erstlich die Haut, hernach das Fleisch, und drittens das Peritonäum, darin die Därme, öffnen. Darauf ward mit einer krummen Nadel der Magen aufwärts gezogen, ein Loch an dem Orte, da die Spitze des Messers sich fühlen ließ, hineingeschnitten und das Messer an dieser herausgezogen, da dann der Magen stracks wieder zuschnappte und die Wunden wieder geheilt wurden. Der Patient sah mit großer Herzhaftigkeit zu und als der Wundarzt das Messer herauszog, rief er mit Freuden: »Das ist mein Messer!« Indem Daniel Schwabe, ein Stein- und Wundarzt, dieses verrichtete, wurden dem Patienten die besten Herzstärkungen gegeben. Das Messer ward hernach auf Begehren Anno 1637 dem König von Polen Wladislaus[555] zugeschickt. Hernach hat es der König Johann Casimir dem Herzog Bogislaus Radziwil gegeben, welcher es endlich wiederum auf die Königsberger Churf. Bibliothek89 verehrt hat, da es auch jetzt mit des Andreas Grünheide Bildniß zu sehen ist. Dieser Mann hat nach der Zeit im Jahre 1641 geheirathet und sich zu Landsberg in der Vorstadt wohnhaft niedergelassen.

89

Auf dieser Bibliothek zeigte man sonst auch ein Stück Pfeil, ohngefähr 41/2 Finger breit, mit welchem Erasmus von Ritzenstein, ein Oberster in einer Feldschlacht am Haupte verwundet worden war. Er hat denselben 14 Jahre im Haupte getragen, dann aber ist er ihm endlich zum Gaumen herausgefallen (s. Berckenmeyer, Cur. Antiquarius S. 895).

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 555-556.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band