571. Wie es einem Schmied in dem Schlosse ergangen.

[559] (S. Hennenberger S. 47. Temme S. 100 etc.)


Während dieser Zeit ist ein Schmied aus Christburg gen Rom gereist und dann nach andern Orten gewallfahrt, aber durch Krankheit verhindert worden, eher als nach fünf Jahren nach Hause zu kommen, ist also erst ein Jahr nach der Tannenberger Schlacht (1412) zurückgekehrt und hat gehört, wie seine Herren erschlagen seien und es im Schlosse greulich spuke. Um nun zu sehen, ob dies wahr sei oder nicht, geht er Mittags aufs Schloß und sieht gleich auf der ersten Zugbrücke den Hauskomthur Otto Sangerwitz stehen. Er grüßt ihn und spricht: »Werther lieber Herr Gevatter, mir ist Euere Wallfahrt lieb und theuer, und nun sehe ich, daß nicht alle Dinge, so man für Wahrheit ausgiebt, wahr sind, denn man hat mir vielfältig gesagt, daß Ew. Ehren auf dem Kampfplatz erschlagen sein sollten.« Darauf antwortete der Hauskomthur: »Ich will Euch auf diese Rede mit Gesichten antworten, kommt mit, fürchtet Euch nicht, redet mit Niemand und thut Niemandem etwas zu Gefallen!« Also kamen sie hinein, da hörten sie vor dem einen Gemache Leute drinnen mit einander kosen, Andere aber fluchen und schelten, bei einem andern Zimmer hörten und sahen sie spielen und dabei fluchen, wieder bei einem andern prassen und Humpen an einander klingen, tanzen und springen, wieder an einer andern Stelle Jungfrauen hineinschleppen, zwingen und überwältigen und was dergleichen Dinge mehr waren. Aus allen Gemächern kamen Brüder heraus, hießen sie zu ihnen hineinkommen und mit ihnen fröhlich sein, aber sie gingen fort und kamen in die Kirche, da stand ein Priester gleichsam die Messe lesend vor dem Altar, die Chorbrüder aber saßen dabei und schliefen. Als sie nun wieder hinabgingen, hörten sie überall heulen, weinen, wehklagen, kreischen, also daß es ihnen nicht anders dünkte, als wären sie in der Hölle. Als sie nun wieder zu der ersten Stelle auf die Zugbrücke kamen, da sagte der Hauskomthur zu dem Schmied: »Alles was Du gesehen hast, ist wahr, und jene werden nun nach Verdienst dort belohnt! Deshalb gehe hin, zeige dem Hochmeister alles an und sage ihm, er solle von dem Vorhaben, so er mit Etlichen beschlossen, abstehen, denn Gottes Gericht ist über uns gekommen und wir werden Andern dienen müssen, und wenn Du ihm das sagen wirst, so wird er Dich tödten, allein wisse, Du hast den Tod schon aus den und den Gründen verdient!« Damit verschwand er wie ein Donnerschlag. Der Schmied kömmt nun am Donnerstag[559] nach Pfingsten nach Marienburg, findet den Hochmeister auf der Nogatbrücke, bittet um die Erlaubniß mit ihm zu reden, zeigt ihm an, daß er vor vierzehn Tagen von Rom nach Hause gekommen sei und man ihm da dies und jenes von den Ordensherrn und dem Schlosse erzählt habe, er sei also um die Mittagsstunde aus Vorwitz hinaufgegangen, allda habe er Folgendes gesehen und gehört, und er erzählte ihm Alles von Anfang bis zu Ende, und was der Hauskomthur gesagt habe. Darob ward aber der Hochmeister sehr zornig, schämte sich der Offenbarung und sprach zu dem Schmied: »Du Gottvergessener, Du hast dies mit andern Verräthern aus Deinem Kopfe erdacht, um uns zu erschrecken! Weil Du aber selber sagst, Du habest den Tod verdient, so sollst Du ihn auch leiden!« So ließ er ihn über die Brücke in die Nogat werfen und ersäufen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 559-560.
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