576. Gestohlene Hostie verräth sich selbst.

[563] (S. Hennenberger S. 62.)


Im Jahre 1400 brach einer in die Kirche zu Conradswalde und stahl aus dem Sacrarium ein silbernes Büchslein mit zwei gesegneten Hostien für die Kranken. Am Abend geht er nach Marienburg in das gemeine Mummenhaus um darin Unzucht zu treiben, da sieht das Weib, mit der er zu thun hat, in der finstern Kammer ein Licht über ihm und ein anderes im Busen brennen, so daß sie erschrickt und überlaut Zeter, Zeter schreit. Nun ist dies aber in Preußen eine große Sache gewesen, wenn einer Zeter schrie. Es geht aber in der Minute die Wache vorbei, die hört es und kommt schnell herein, der Dieb aber springt durch ein Fenster, läuft die Länge über die Gasse, wirft das Büchslein in einen Rinnstein, daß es unter eine Treppe kollert, das eine Licht brennt aber immer noch darüber und ein zweites über dem Thäter. Er wird gefangen, bekennt Alles, wird eingeführt und schon am nächsten Morgen gerädert. Dies kam in der Nacht vor den Hochmeister Conrad von Jungingen, er kommt mit der Geistlichkeit, hebt das Büchslein auf und trägt es in die Kirche. Der Pfarrherr von Conradswalde aber wollte die gesegneten Hostien wieder haben, der von Marienburg indeß wollte sie ihm nicht verabfolgen lassen. Da sprach das Gericht sie dem von Conradswalde zu. Damit wollte der andere[563] aber nicht zufrieden sein, appellirte also gen Rom und so zankten sich Beide blos aus Geiz darum, denn es geschahen viele Zeichen dabei, was den Pfaffen viel Geld einbrachte. Der Hochmeister aber entschied sehr fein, ließ Messe lesen und die Hostien dabei consumiren, das Büchslein aber schickte er gen Conradswalde und dort mußte es bleiben.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 563-564.
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