584. Heiligenbeil und sein Name.

[567] (S. Hennenberger S. 156. Temme S. 35 etc. Hartknoch S. 163. Poetisch behandelt v. Ziehnert Bd. II. S. 186 etc.)


Die Stadt Heiligenbeil hat ehedem Swantomes geheißen, was Heiligenstätte bedeutet. Nach Einigen käme der Name daher, daß das Beil, womit der h. Adalbert auf Samland zerhauen worden, über das Haff geschwommen und hier gelandet sei. Nach einer andern Erzählung rührt aber der Name von folgender Ursache her.

Hier, wo jetzt die Stadt liegt, ist nämlich vor Alters von den Preußen ihr sechster Gott, den sie von den Masuren bekommen haben und der für einen Gott des Essens und Trinkens gehalten wird und in einer Eiche daselbst seinen Sitz hatte, verehrt worden, man hat ihm hier ein heiliges Feuer angezündet, auch allerlei erstes ausgedroschnes Getreide oder Mehl, wie auch Honig, Milch und was sonst zum Essen dient, die Erstlinge davon dem Gorcho geopfert und angebrannt. Auch die ersten Fische so man gefangen, sind allerdings nicht blos hier, sondern wo irgends große Steine bei den Fischereien waren, ihm zu Ehren verbrannt worden. Diese Eiche, die so groß war wie die zu Romove, war Sommer und Winter hindurch grün. Sein Bildniß, welches an der Eiche am Fuße angebracht war, ward alle Jahre zerbrochen und nach vollbrachter Ernte wieder neu gemacht. Um nun solche teufelische Abgötterei abzuschaffen hat Anselmus, der erste Bischof auf Ermeland, einem befohlen, die Eiche, darin der Götze angeblich wohnen sollte, umzuhauen. Dem ist aber das Beil abgesprungen und hat ihn selbst tödtlich verwundet, was die Preußen für eine große Strafe ihrer Götter und für ein Wunderzeichen gehalten haben. Da hat der Bischof das Beil selbst genommen und hinein gehauen und dann den Baum ganz und gar in Brand gesteckt, das Beil aber sollen die Preußen bekommen und für heilig gehalten haben, und davon der Stadt der Name gekommen sein. Von diesem Beile, das lange noch in der Kirche daselbst aufbewahrt worden ist, rührt auch das Wappen der Stadt, ein Beil, her.

Im Jahre 1571 sind hier acht Weiber, darunter die Bürgermeisterin selbst, der Weydeley (Zauberei) wegen verbrannt worden.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 567.
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