597. Wie die Danziger einen falschen König nach Dänemark gebracht haben.

[577] (S. Hennenberger S. 67.)


Der König Olaus wollte nach Schweden segeln, kam aber bei einem Sturme um, doch retteten sich viele seiner Leute und unter ihnen gab es welche, die sagten, der König sei auch davon gekommen. Da zogen einige Danziger am Dreikönigstag gen Thorn und fanden zu Graudenz einen trunkenen Mann, der dem König Olaus an Sprache, Alter, Größe und allem Andern ähnlich war. Die Danziger sahen ihn an und einer sprach: »Guter Herr, ist Euch die Stadt Kopenhagen bekannt?« Er antwortete mit Seufzen: »O ja, den und den Bürger kenne ich sehr wohl, es ist gar nicht lange her, daß ich dort ganz lustig gewesen bin!« Auf diese Worte nahmen ihn die Danziger heimlich vor und sagten: »Herr, Ihr seid der König Olaus, wollt Ihr es uns genießen lassen, so wollen wir Euch in Euer Reich helfen!« Er antwortete: »Ich bin, der ich bin, doch hoffe ich, Ihr werdet mich nicht verrathen, thut Ihr mir etwas Gutes, so will ich es Euch mit dem Besten vergelten, doch schaut darauf, der Königin Herz ist nicht mit mir!« Dies machten die Danziger lautbar, kleideten ihn, brachten ihn zum Hochmeister und er wußte ihnen allen Bescheid zu sagen, denn er hatte einen Spiritus familiaris. Er hatte auch von der Amme des jungen Königs Olaus alle Zeichen und Heimlichkeiten erfahren, Jedermann hielt ihn für den König, er ward hochgeehrt und so schickten die Danziger Botschaft nach Dänemark und zu Pfingsten führten sie ihn mit großem Gepränge dahin. Die Königin, man sagt es sei die Mutter des jungen Königs, Magaretha, eine Königin der drei Königreiche gewesen, hielt ihn auch drei Stunden lang für ihren Mann, endlich bekam sie Mißtrauen, bestellte ihn also Abends wieder und befahl Einigen aufzubleiben. Unterdessen ward ihm gütlich gethan und er zu Bette gebracht, da befühlte ihm die Königin seinen Nabel, und weil Olaus einen Nabel so groß wie ein Hühnerei gehabt hatte und nicht leiden konnte, daß man ihm dort hingriff, erkannte sie an dem seinigen, der ganz klein war, daß er nicht der König sein konnte. Das sagte die Königin ihren Vögten, die nahmen die Danziger vor und diese sagten, wie sie zu ihm gekommen wären. Der vermeinte König ward gefangen genommen und als er alles bekannt, schon am nächsten Morgen verbrannt, die Danziger ließ man aus Gnade heimziehen, sie hatten aber nur Spott zum Lohn.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 577.
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