598. Wie ein Dieb dem, der ihn vom Galgen erlöset, gelohnt hat.

[577] (S. Hennenberger S. 79.)


Im Jahre 1481 hat ein Jüngling zu Danzig von reichen Eltern sein Erbtheil schnell mit einem liderlichen Genossen, der güldene Esel genannt, durchgebracht, brach dann bei einem reichen Manne ein, stahl viel, ward aber von der Schaarwache ergriffen und eingeführt und verurtheilt, gehangen[577] zu werden, denn man hatte wenig Hoffnung, daß er sich bessern werde. Nun war aber der Guardian im Grauen-Kloster sein Taufpathe, dieser bat den Rath um den Jüngling, denn er hoffte, er würde ihn mit der Zeit zur Ordnung bringen. Obgleich es der Rath nicht gern that, weil aber der Guardian ein sehr beliebter Mann war, so konnten sie ihm seine Bitte nicht abschlagen, sie fragten ihn aber, wenn er weiter noch Schaden anrichte, an wen sie sich da halten sollten? Dieser antwortete: »Es komme über mich!« Er bekam ihn also los, und derselbe stellte sich eine Zeit lang so fromm, daß man wieder gute Hoffnung schöpfte, allein bald erfährt der Guardian, daß er wieder mit dem güldenen Esel Gemeinschaft hielt. Dies verdroß denselben so, daß er sagte: »Gehe zum Galgen und lasse Dich hängen!« Der Jüngling ließ sich den hieraus geschöpften Haß nicht merken und gelangte mit der Zeit wieder zu dem vorigen Vertrauen. Nun ward aber der Guardian Custos über die Klöster seines Ordens in Preußen, und wollte nach Thorn, um sie dort zu reformiren und Danziger Kaufleute gaben ihm an die 3000 Mark ungarisches Gold mit um dies den Thornern für Gold zu geben. Dies wußte der Bube, der den Fuhrmann machen sollte. Eines Tages Morgens früh läßt der Guardian seinen Begleiter voraus auf den Knüppeldamm gehen, er selbst sitzt im Wagen und liest, während dem läßt der Bube die Geißel fallen, steigt ab um angeblich dieselbe zu holen, zieht aber den Säbel heraus und spaltet dem Guardian von hinten den Kopf auseinander, nimmt dann das Sattelpferd und das Geld, reitet nach der Lauenburg und läßt es dem güldenen Esel melden, er solle nur hinkommen. Dieser aber hält nicht reinen Mund, der Jüngling wird geholt und seine letzten Worte, als er hingerichtet werden sollte, waren: »Wollte Gott, daß ich alle die, so mich vom Galgen losgebeten, ebenso ermordet hätte!« Deshalb sagt man: »Es ist einem Diebe nirgends besser als am Galgen!«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 577-578.
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