617. Der reiche Bauer zu Niclaswalde.

[590] (S. Hennenberger S. 336. Curicke S. 141.)


Als im Jahre 1400 etliche fremde Gäste und Herren den damaligen Hochmeister Conrad von Jungingen besuchten und ihn unter dem Trinken insonderheit darum glücklich priesen, daß sie unterwegs auch bei den Bauern guten Wohlstand verspürt, da hat der Schatzmeister von Marienburg gesagt, sie brauchten sich darüber nicht zu wundern, der Hochmeister habe einen Bauer zu Niclaswalde, der 11 ganze Tonnen baares Geld besitze. Dies zu beweisen, wurden die Gäste dorthin bestellt und dem Bauer angesagt, daß der Hochmeister mit seinen Gästen morgen mit ihm Mahlzeit halten würde, da denn der Schatzmeister ihm anbefahl, daß er die Tonnen mit Gelde um den Tisch setzen, Breter darauf legen und zu Sitzbänken machen solle. Nach beendeter Mahlzeit mußte der Bauer den Schatz vorweisen, er wußte wohl, daß verleugnetes Gut dem Herrn gehöre und deshalb zeigte er an, daß das Geld in den Tonnen, auf welchem sie säßen, vorhanden wäre. Wie es die Gäste gesehen, verwunderten sie sich, dem Hochmeister gefiel es aber dermaßen wohl, daß er alsobald Befehl gegeben hat, man solle dem Bauer auch die zwölfte Tonne, welche schon halb voll war, über die andern eilf Tonnen mit Gelde aus dem Schatze füllen, damit er sagen könne, wie er einen Bauern habe, welcher über eine Last Geldes vermöge. Die Tonnen sind alle neu und etwa so groß gewesen wie die heutigen Salztonnen. Das Geld ist bestanden in Pfennigen, Schillingen und Groschen, welches alles damals gute silberne Münze gewesen, und hat der Bauer nicht gestehen wollen, daß Gold darunter wäre. Er ist aber dermaßen karg gewesen, daß, wenn er zu Bier gegangen ist, er kein Geld, sondern etliche Käse mit sich genommen und damit den Wirth bezahlt hat und hatte stets das Sprichwort im Munde, daß man groß Geld mit kleinen Fingern anrühren müsse. Gleichwohl ward er zuletzt nach dem Absterben des gedachten Hochmeisters von dessen Nachfolgern und insonderheit dem von Plauen dermaßen mitgenommen, daß er an den Bettelstab gerathen ist.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 590.
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