655. Das fischreiche Schloß bei Ragnit.

[611] (S. Duisburg, Chron. III. S. 176. L. David Bd. V. S. 5. Hennenberger S. 391.)


Nicolaus Jeroschin erzählt, es hätten lange Jahre vor der Ankunft des Ordens die Preußen nicht weit von der heutigen Stadt Ragnit an der Memel ein Schloß gehabt, das sehr fest war. Dies belagerten die Litthauer, die damals noch Reussen hießen, und gedachten jene auszuhungern und lagen deshalb neun Jahre vor demselben. Gleichwohl konnten sie es auf keine Weise erobern. Sie fragten also die Burgleute, womit sie sich doch so lange erhalten könnten, da doch keine Maus in das Schloß hineinkönne. Diese aber antworteten den Feinden, sie hätten mitten in der Burg einen Teich,[611] 20 Schritte lang und 20 breit, daraus fischten sie täglich zu ihrer Nothdurft genugsam Fische. Darüber wunderten sich die Reussen sehr und zogen ab. Jeroschin aber verwunderte sich gleichfalls nicht wenig, wie dies zugegangen sei, daß solches Teichlein so viele Fische gehabt und ungläubige Heiden so lange gespeist, hernach aber, da ihn die Christen besaßen, nur böse Kröten gehegt hat. Als der Pfarrer Hennenberger am Ende des 16. Jhdts. hierher kam und nach diesem Schloßberge fragte, konnte ihm aber Niemand mehr berichten, wo er gewesen war.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 611-612.
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