Erste Szene

[417] Rom. Gegend des spanischen Platzes.

Don Juan tritt auf, gleich nachher Leporello.


DON JUAN.

Still sind die Plätze und die Straßen, nur

Springbrunnen plätschern tändelnd in dem Dunkel, –

Die ewge Roma schläft, ermüdet vom

Jahrtausendlangen Schlachtenkampf, vielleicht

Noch weit mehr von der Bürde ihres Ruhms.

Die arme Herrscherin der Welt! Sie hat

Die Liebe nie gekannt!


Weiter vortretend.


O welche Luft umweht mich!

Wie duftig strömt es her von Albas Bergen!

Es ist die Luft, die einst die Cäsars nährte,

Der Äther ists, in welchem heute die

Geliebte atmet!

LEPORELLO.

Herr, erlaubt ein Wort:

Es ist der Dampf, der aus der Garküch hier

Beian, allwo ein Haufen lustiger

Gesellen Wirtschaft treibt, uns in

Die Nase sticht.

DON JUAN.

Sieh, Leporello. – Hast

Du Nachricht eingezogen?

LEPORELLO.

Nun, das Mädchen

Ist eine Perle, gut genug, dem Kranz

Sie anzureihn, den Ihr schon tragt.

DON JUAN.

Sie strahlt

Als Herrlichste der Frauen!

LEPORELLO.

Don, ich bin

Entzückt! Ich sah sie!

DON JUAN.

O so rede schnell![417]

Bewegung und Gestalt – Wie sind sie?

LEPORELLO.

Wie?

Ihr habt sie selbst noch nicht gesehn?

DON JUAN.

Gesehn,

Gesprochen – weiß ich es? Mich blendete

Ihr Auge!

LEPORELLO.

Wetter, es ist schön, – doch von

Dem Ganzen ists nur wenig.

DON JUAN.

's ist ein Stern

Der Nacht! Bei Gott, es ist der feste Nordstern,

Der fortan einzig meinem Leben leuchtet!

LEPORELLO.

Was nennt Ihr einzig? Ohngefähr zweitausend?

DON JUAN.

Solch eine Liebe hab ich nie empfunden!

LEPORELLO.

Bei wieviel Hunderten habt Ihr das schon

Gesagt?

DON JUAN.

– Erforschtest du des Mädchens Vater?

LEPORELLO.

Er ist der Gouverneur Sevillas, der

Bezwinger von Granadas Maurenhorden,

Jetzt hier beim Haupt der Christenheit

Als spanischer Gesandter angestellt.

DON JUAN.

Ein Spanier! Sie eine Landsmännin!

LEPORELLO.

Ach Herr, der Mann ist grad so alt als streng!

DON JUAN.

Also ein alter Stamm mit goldner Frucht!

LEPORELLO.

Ansehnlich ist der Stamm, die Frucht hängt hoch!

DON JUAN.

Je näher sie den Sonnengluten schwebt,

Je eher reift sie, und was reif ist, fällt!

– Noch nächsten Abend muß ich sie besitzen.

LEPORELLO.

Da müßt Ihr erst den Bräutigam beseitgen!

DON JUAN.

Was? Bräutigam? Pfui! Ich schäme mich

Des Worts. – Wie heißt der Narr, der Mädchen freiet,

Und nicht weiß, daß er Hahnrei wird?

LEPORELLO.

Der Narr

Ist so ein Vetter des Herrn Gouverneurs,

Heißt Don Octavio, und ist ein Herr

Von Bildung, feinem Äußern, nettem Herzen, –

Er trägt sich schwarz, führt weiße seidne Handschuh –

DON JUAN.

– lebt mäßig, gibt nicht Anstoß, tanzt gut, reitet

Erträglich, spricht französisch, kann mit Anstand[418]

Im Kreise der Gesellschaft sich bewegen,

Und schreibt vielleicht sogar auch orthographisch!

– Dergleichen Schuften in den Weg zu treten,

Ist mir die höchste Seligkeit!

LEPORELLO.

Euch gehts

Wie mir! Ein Schuft, der orthographisch

Mein Mädchen küßt, betrügt sich selbst, das Weibsbild,

Und mich auch! Krumme Wege nur

Verherrlichen das Ziel!

DON JUAN.

Weg mit dem Ziel –

Nenn es mir nicht, ob ich auch darnach ringe

Verwünscht ist der Gedanke: jedes Ziel

Ist Tod – Wohl dem, der ewig strebt, ja Heil,

Heil ihm, der ewig hungern könnte!

LEPORELLO.

Danke!

– Ich merks, Ihr laßt mich hungern nach Prinzipien, –

Wenns nur mein Magen duldete, doch der

Ruft immerdar: »Heil ihm, der ewig frißt!«

DON JUAN.

– – Mich brennt die Ungeduld. Dort steht das Haus

Des Gouverneurs, dort muß sie wohnen. Lärm

Gemacht! Wir locken sie dadurch ans Fenster.


Er zieht den Degen.


LEPORELLO.

Den Degen ein! Beim heilgen Jakob, ich

Entlaufe!

DON JUAN.

Feigling, es ist ja nur Schein!

Ich tu dir nichts! – Zieh – Zieh sag ich, oder

Ich bohr dich an den Boden wie 'nen Wurm!

LEPORELLO.

Hilf Christ! ich bin verloren! Mit dem Schwert

Versteht er keinen Spaß! Sowie der Stahl

Klingt, rast er wie der Wolf, der Blut riecht!

– Aus Not muß ich mich wehren!

DON JUAN.

Trefflich! bravo,

Freund Leporello! – Ei, wie kühn! – Das wirkt

Die römsche Erde – wahre Heldenmutter,

Gebärt sie dich zum zweitenmal.

– Fort! schrei jetzt

Von Sbirren, Mördern, Überfall, Verrat –

– Und daß dein Schreien recht natürlich klingt,

Nimm diese leichte Wunde in den Arm![419]

– Doch bleib mir in der Näh, damit du's hörst,

Wenn ich dich wieder rufe!

LEPORELLO.

Element!

Mein Arm! Ich sterbe! Sbirren! Sbirren! helft!

DON JUAN.

He! Hülfe! Rettung! Fanget den Banditen!


Leporello ab. Getümmel im Palaste des Gouverneurs.


DER GOUVERNEUR drinnen.

Licht! Waffen! folgt mir, Don Octavio!

DON OCTAVIO drinnen.

Mit Gut und Leben steh ich Euch zu Diensten.

DON JUAN für sich.

Wärs wahr, so würdest du's nicht sagen! –

– So 'n Maulheld also! – Nun, es naht die Zeit,

Wo Krieg und Frieden, Lieb und Glück, und Gott

Und Glauben, nur die Worte sind, von dem

Was sie gewesen. Ganz ergebenst gibt

Man dann dem Bettler einen Fußtritt, und

Gehorsamst fodert man vom Diener ein

Glas Wasser! –


An einem Fenster im Palaste des Gouverneurs erscheint eine Dienerin mit brennenden Kerzen auf Armleuchtern, – dann Donna Anna, die einen Augenblick spähend hinaussieht.


DON JUAN erblickt die Donna Anna.

Ha, wie ein Goldadler reißt

Der Blitz sich los vom Gipfel des Nachthimmels;

Der Eichwald stürzt vor ihm zu Staub und flammt

Dabei empor in seliger Vernichtung –

– So sink ich hin zu deinen Füßen, Weib,

Und jauchze dennoch laut, daß ich dich liebe!


Donna Anna winkt ihn zürnend fort und entfernt sich.


DON JUAN.

Pah,

Vergebens winkst du mich von dannen! Ich

Erreiche dich, und wenn ich über Leichen,

Durch deines Vaters Blutstrom schreiten müßte!


Der Gouverneur, Don Octavio, und Diener mit Lichtern, treten aus dem Palaste.


DER GOUVERNEUR.

Lärm unter meiner Tochter Fenstern! Straf

Und Tod ihm, der sich des vermaß! Erforscht ihn!

DON OCTAVIO.

Ich bitt um Ruh, Herr Gouverneur; wir sind[420]

Im fremden Lande.

DER GOUVERNEUR.

Ich bin hier Gesandter

Und übe eigene Gerichtsbarkeit, –

Wohin ich trete, da ist span'scher Grund,

Und wo ich atme, da weht span'sche Luft,

– Und jetzt, da meine Ehre freventlich

Verletzt wird, sollt ich ruhig es ertragen,

Und nicht einmal den Täter strafen dürfen?

DON OCTAVIO.

Ein bloßer Lärm, Gott weiß, woher entstanden,

Beteiligt nicht die Ehre meiner Braut.

DER GOUVERNEUR.

Wie sprichst du, Sohn? Die Ehre ist mein Auge,

Das kleinste Stäubchen, das hineindringt, macht

Mich blind und wild vor Schmerz!

DON OCTAVIO.

Jedoch der Täter

Ist schon entflohn!

DER GOUVERNEUR.

So forschen wir ihm nach!

DON JUAN hervortretend.

Das tut nicht not. Ich weiß, wo er sich aufhält.

DER GOUVERNEUR.

Wer seid Ihr? Redet.

DON JUAN.

Ich bin span'scher Grande,

Mit Namen Don Juan.

DER GOUVERNEUR.

Der Don Juan,

Der für den König siegsgewaltig an

Der Guadiana focht?

DON JUAN.

Der steht vor Euch.

DER GOUVERNEUR.

Gebt mir die Hand! Wer für den König focht,

Der ist mein Bruder.

DON JUAN.

Herr, ich hörs, Ihr seid

Ein echter Landsmann!


Beiseit.


Den gewinn ich noch

Mit patriotschen Phrasen, um so eher,

Als ich sie ernstlich meine!


Laut.


Seid gegrüßt

In dieser Fremde – Wo man Spanien nennt,

Da atm ich freier! –

O kein Donner an[421]

Dem Himmel, und kein Laut auf Erden, quöll

Er auch von schönster, süß'ster Lippe, gleicht

An Macht dem Worte: Vaterland! Weit mehr

Als mutiges Geschmetter der Trompete

Hat es schon in dem Kampf mein Herz erregt:

Bei seinem Klange steigt Hispania

Mit ihren Hochgebirgen, ihren Strömen,

Mit ihren Helden, ihren Heldengräbern,

Im Morgenlichte aus der dunklen See.

Verächtlich ist der Stolz des einzelnen,

Doch herrlich, wie die Heimat selbst nur sein mag,

Ist auch der Stolz auf sie!

DON OCTAVIO.

Die Rede stimmt

Nicht ganz mit Eurem Handeln. Ich vernahm

Schon viel von Euch. Ihr kränzt Euch öftrer mit

Der Liebe Rosen, als wie mit dem Blatt

Der Eiche.

DON JUAN für sich.

Merkt der etwas? – Eifersüchtig? –

Wer eifersüchtig ist, liebt weder, noch

Wird er geliebt. Mir winkt die Hoffnung!


Laut.


Freund,

Erst lernt den Wahlspruch kennen, den ich rufe:

König und Ruhm, und Vaterland und Liebe!

– Ein schal Getränk ist jede Lieb und Lust,

Die in dem Herzen keimt, wo die vier Worte

Nicht einig lodern wie ein Kranz von Flammen!

DON OCTAVIO.

Ein einzig Wort vergaßt Ihr – es heißt Treue.

DON JUAN.

Ich bin kein Sklav, – wer wollte Ketten tragen?

DER GOUVERNEUR.

Genug. Wer Ruhm und König liebt, kann ihnen

Nicht untreu werden, denn nichts Höheres

Gibts in der Welt.

– Und nun sagt an, wer war

Der Frevler, welcher hier nach Lärm erhob,

Und, irr ich nicht, nach meiner Tochter schrie?

DON JUAN.

Wißt Ihr denn nicht, daß jetzt ein großer Magus,

Gekommen aus Norddeutschlands Eiseswüsten,[422]

In Roma hauset und die Luft verpestet?

Im schwarzen Mantel, weißen Antlitzes,

Als hätte nie die Sonne es gerötet,

Schleicht er am Aventin, – vergebens mühn

Die Häscher sich, ihn zu ergreifen – Er

Entwischt mit Geisterhülfe immerdar!

DER GOUVERNEUR.

Ihr meint den Doktor Faust?

DON JUAN.

Dem Habicht ähnlich

Zieht er um Eure Tochter Zauberkreise, –

Er wars, der heute mit Beschwörungen

Sie locken wollte dort auf den Balkon, –

Doch Stahl und Männermut sind kräftger als

Magie. Mein Schwert wies ihm den Weg!

DER GOUVERNEUR.

Ich dank Euch; aber wißt: nicht Zauberei,

Und nicht der Stahl gefährden oder schützen

Die Ehre Donna Annas. Ehre wandelt

Den eignen Pfad, trotz aller Schwingungen

Von Zauberkreisen oder Schwertern, – Tod

Ist wen'ger als die Ehre, – sie versteht

Nur Siegen oder Sterben – Meine Tochter auch! –

– Armseliger Patron, der Faust, der mit

Ohnmächtgen Höllenkünsten sich bemüht,

Das reine Herz der Donna Anna zu

Gewinnen, – selbst des Himmels Zauber würd

Es nicht verblenden, denn der Himmel kennt

Nicht schönre Stelle als ihr kindlich Herz!

DON JUAN für sich.

Der Vater selbst bläst meine Leidenschaft

Zu Gluten an, – wie göttlich über solch

Ein Weib zu triumphieren! – Welten können

Verwaist und ohne Seele rollen durch

Den leeren Raum, – doch wo ein fühlend Herz schlägt,

Da regen Welten, Sterne, Sonn und Mond,

Des Morgens Rot, des Abends falber Glanz,

Mit allem Schmerz und aller Freude, eng

Verschlungen sich im allerengsten Kreis –

Gewaltger Herz- als Welt-Eroberer!

DER GOUVERNEUR.

Octavio, es gilt den Zaubrer einzufangen,

Dem Scheiterhaufen ihn zu übergeben.
[423]

Zu Don Juan.


Begleitet Ihr uns, Herr?

DON JUAN.

Das ist unmöglich.

Leer steht und ohne Aufsicht meine Wohnung.

Ich muß dahin, – doch werd ich unterwegs

Die Diener der Gerechtigkeit ermuntern,

In Eurer Nachforschung Euch beizustehn.

DER GOUVERNEUR.

Das nehm ich an, und bitte nun zugleich,

Das Hochzeitsfest des Don Octavio

Und meiner Tochter, anberaumt auf morgen,

Mit Eurer Gegenwart zu zieren.

DON JUAN.

Sicher erschein ich da.

DON OCTAVIO.

'Ne Ehre wirds uns sein.

DON JUAN.

Ich bitte, Herr – die Ehre ist auf meiner Seite.

DER GOUVERNEUR.

Lebt wohl bis dahin.

DON JUAN für sich.

Geht zum Teufel, Narren!


Der Gouverneur und Octavio ab.


DON JUAN.

Luft! Luft! – O Worte! Worte! Ach, nur da,

Wo Küsse euch ersticken, lebt sichs selig!

– Und doch, gehts mir nicht selbst grad wie dem Baum,

Der voll von Blättern, bei dem schwächsten Windstoß

Aufrauscht? – Mich freut es nur, daß ich dem Faust,

Dem Renommisten der Melancholie,

Der nach der Hölle seufzt, weil er die Himmel

Nicht kennt, die sich in Donna Annas Augen,

Anmut und Feuer strahlend endlos auftun,

Die beiden Toren auf den Leib gehetzt –

Ob er kann zaubern, mag er jetzt bewähren!

– Ich aber lobe mir die Wirklichkeit!

Der Gouverneur, Octavio sind fort,

Das Haus geöffnet, und der Sieg ist mein!


Er will die Haustür öffnen, findet sie aber verschlossen.


Verwünscht! die Schlauköpfe sind auf der Hut

Gewesen, fest verschlossen ist die Tür! –

– Pah! alles einerlei! den Endzweck fest

Im Aug gehalten, – ist er stets nur einer,

So führen tausend Pfade auch zu ihm![424]

– He! Leporello! Leporello!

LEPORELLO kommt.

Mein Arm! mein Arm! dem Feldscher hing das Haupt,

Als er ihn sah, gleich einer Tränenweide –

Der Doktor legt' an seine Nas den Finger

Wie eine Lunte, und dann brach er los

Von Skrupeln, Skrofeln und von Kachexie!

Durch Euch bin ich ein Krüppel auf zeitlebens!

O welch ein Lohn für meine treuen Dienste,

O welch ein Gang der Welt!

DON JUAN.

Ich rate dir,

Sei still! Sonst sollst du vor der zweiten Wunde

Die erste bald vergessen. – Kennst du

Die Dienstmagd Donna Annas?

LEPORELLO.

Herr, was denkt Ihr?

Ich eine Dienstmagd kennen! Und zwar diese!

DON JUAN.

Verstell dich nicht! Du schleichst auf mein Gebot

Drei Tage schon um dieses Haus, und hättest

Das Mädchen übersehn? Sie leuchtete

Der Donna, als sie an das Fenster trat –

Ein schwarzes Aug, ein Grübchen in der Wange,

'Ne weiße Haut, ein zarter, voller Arm,

Und eine nette Taille, sind ihr gar

Nicht abzusprechen.

LEPORELLO.

Und das alles saht

Ihr, als der Blitz von Annas Schönheit auf

Euch fiel gleich einem Adler, wie Ihr sagtet?

DON JUAN.

Warum nicht? Stand die Dienrin doch daneben.

LEPORELLO.

Ihr seid ein Kraft-, Universal-Genie!

Die Herrin lieben, von der Dienerin

Entzückt, – und das so durcheinander während

Desselben Augenblicks – Weh mir! mir schwindelt!

DON JUAN.

Mensch, hältst du mich für einen albernen

Pedanten, eingewurzelt in Systeme?

Wo ich die Schönheit finde, schätz ich solche,

Und sei sie, welcher Art sie wolle.

Die Dienerin liebt anders als die Herrin,

Und nur Abwechslung gibt dem Leben Reiz

Und läßt uns seine Unerträglichkeit[425]

Vergessen!

Sprich! Wo ist des Mädchens Zimmer?

LEPORELLO.

's ist eine Sünde, daß ichs Euch verrate, –

Der Engel wohnt dort in dem Erdgeschoß –

– O mögen alle Teufel ihn beschirmen,

Denn vor den Engeln seid Ihr gar nicht bange!

DON JUAN.

Eil an ihr Kammerfenster, – frag sie aus,

Wo man die Donna Anna außer dem

Palaste morgen treffen kann.

LEPORELLO.

Das soll

Ich mitten in der Nacht tun?

DON JUAN.

So will ichs!

Das ist romantisch; auch mag ich nicht warten.

Du weckst sie auf als kosender Liebhaber –

Was wär wohl süßer für ein Mädchen als

Aufwachen unter Schmeichelei, dem Lenz,

Bei dem selbst alter Weiber Stirnen sich

Verjüngen?

LEPORELLO.

Nun, es sei versucht!

Ich singe ihr eins vor, das selbst die Bären

Erschüttern, und dem Dachs im Winterschlaf

Die Ohren spitzen wird gleich Türmen!

DON JUAN.

Sing

So leis als möglich!

LEPORELLO.

Keine Sorge! Hört nur!

Es ist ein altes Lied, ein seltnes Lied,

Und ein verschmähter Liebender hat es

In einer Sommernacht, nachdem er lang

Geseufzt, endlich erfunden und gedichtet.


Singt.


»Ein Käfer auf dem Zaune saß – Brumm, Brumm,

Die Fliege, die darunter saß – Summ, Summ,

Fliege, willst du mich heiraten? – Brumm, Brumm,

Ich gebe dir einen Dukaten – Summ, Summ.«

DON JUAN.

Halt, brauch Vernunft!

LEPORELLO.

Vernunft? So muß ich sprechen,

Denn Singsang bleibt doch ewig unvernünftig!


In das Fenster flüsternd.


Schläfst schon, Lisettchen? – Nicht ein Wörtchen? – Ach, du schläfst also noch nicht. Und du schmollst mir? – O mein Hermelinchen, mein Püppchen, wie kannst du mir[426] schmollen? Zu Don Juan. Die verwünschte Ratte schläft nicht, sonst wär sie schon längst aufgewacht und hätte mir geantwortet. Sie wacht und kokettiert mit ihrem Schweigen.

DON JUAN. Woher kennst du ihren Namen?

LEPORELLO. Ihren Namen? Eh, den les ich so aus ihrem Wuchs, aus ihrer Physiognomie – Herr, wie der Name, so sieht der Mensch aus, – Ihr glaubt nicht, was so ein Schall tut, – die Amalien sind lang und schwärmerisch, die Karolinen drall und pfiffig, die Julien voll und lebhaft, die Wilhelme, die Christiane, haben so etwas von viel gebrauchten Geldstücken, und sind abgeschabt, mager und bleich, – die Augusten neigen sich zum Braunen, – o Herr, bin ich ein Unglückskind, so ists, weil mich meine Eltern Leporello taufen ließen. Wieder am Fenster. Lisette! Schönste der Jungfrauen! Geliebteste! Eine Silbe! Nicht schlafen kann ich und nicht essen. Deine Schönheit, deine Tugend rühren mich zu Tränen.

DON JUAN. Wie die Zwiebeln!

LEPORELLO. Was ist deine Gebieterin gegen dich? Ein ärmliches Ding, ein Würmchen!

DON JUAN. Spitzbube!

LEPORELLO. Still – Paßt auf – das hilft – das glaubt sie!

DON JUAN. Hast recht – die Mädchen machen es mit dem Glauben, wie die reichen Leute mit der Speise, – sie nehmen nur das zu sich, was ihnen angenehm schmeckt.

LISETTE drinnen. Pfui, Pfui! Wer lärmt da so unverschämt? Will er denn noch gar nicht aufhören, der böse Mensch?

LEPORELLO. Hört Ihr? »Noch gar nicht aufhören!« – Sie hat mich schon lange gehört!

DON JUAN. Sie schimpft! Das Schimpfen ist die Lärmglocke der Hetären!

LEPORELLO. Ihr kennt die Praxis; doch ich auch ein bißchen. Einen Ring vom Finger ziehend. Seht, so ein Reifen ist für Mädchenaugen des Zirkels Viereck, der echte Zauberring – die Beste gibt dreimal ihre Unschuld zu, wenn sie nur einmal einen Ehmann kriegt.

DON JUAN. Die Ehherrn sollten künftig die Trauringe statt auf dem Finger in der Nase tragen, zum Zeichen, daß sie doch an der Nase geführt werden.

LEPORELLO am Fenster. Teuerste Lisette, kennst du mich denn nicht? Ach deinen Trauring hab ich dir mitgebracht, ich[427] führe dich morgen zum Altar.

DON JUAN. Ehdem führte man zum Altar Kälber und Schafe, um sie zu schlachten, jetzt die Mädchen, um sie zu heiraten. – Nichts Neues unter der Sonne!

LISETTE. Graf Leporello –

DON JUAN. Wie Kerl? Du hast dich für einen Grafen ausgegeben?

LEPORELLO. Si Signore – Ich liebe stets als ein Graf.

LISETTE. Graf Leporello – Täuschen Sie kein armes Mädchen; hüten Sie sich; so arm ich bin, ich bin doch eine Römerin; bei der Madonna, ich töte Sie, wenn Sie mich betrügen! – Warten Sie! Ich komme. – Wo ist der Ring?

LEPORELLO. Hier, du Süße! Nimm ihn. Treu und echt ist meine Liebe, wie sein Gold! Zu Don Juan. Nicht bange, Herr; er ist von Kupfer und kostet nur sechs Pfennige, die ich mir aber morgen zu ersetzen bitte.

LISETTE den Ring nehmend.

Ja Graf! ich steck es an, das Pfand der Treue,

Und folge dir bis in den Tod!

LEPORELLO.

Nun hab

Ich dich – o glücklich Los. – O meine Mutter!

Die macht dir Augen zu der Mißheirat –

Die arme Frau, der Schmerz wird sie verzehren!

Doch mag die ganze Welt zusammenbrechen,

(Sie bleibt schon stehen, mir ist gar nicht bange!)

Was kümmerts mich, wenn ich nur dich besitze!

– Wo treff ich morgen Donna Anna am

Gelegensten? Ich hab mit ihr deinthalb

Zu reden.

LISETTE.

Donna Anna wandelt morgen

In ihres Vaters Garten.

LEPORELLO.

Und wo liegt der?

LISETTE.

Am Tibertor, gen Osten.

LEPORELLO.

Nun weiß ich genug.

– Nur einen Kuß, Holdselige, zum Abschied.

LISETTE.

Du willst mich schon verlassen, Ungetreuer?

LEPORELLO.

Bis morgen nur, du Angebetete!

Dann fahr ich vor mit Rossen und mit Wagen

Und führ dich an den Ebro, wo mein Schloß

Hoch in der blauen Luft sich auftürmt!

LISETTE.

Komm,[428]

Und nimm den Kuß, und denke mein!

DON JUAN.

Zurück!

Wer wagt es da zu küssen, wo Ich weile?

LEPORELLO.

Ei, Herr –

DON JUAN.

Bei deinem Leben, schweige still!

Die einzge Speise, deren man nicht satt

Kann werden, ist der Kuß; – wo man ihn nimmt

In meiner Gegenwart, da raubt man mir

Das Essen vor dem Munde!

LISETTE.

Graf, mein Graf!

Wo seid Ihr? O mein Himmel – Er verläßt mich,

Verschmäht den Kuß, den ich ihm biete –

– Der Keil des Donners soll ihn schlagen,

Mein Fenster aber schlag ich zu! –

DON JUAN zu Leporello.

Den Donner

Der zugeschlagnen Fenster laß dir dreist

Gefallen!

– Vor mir Nacht, bis daß Aurora

Vor Scham errötet, weil die Donna Anna

Viel schöner ist als sie! – He, Leporello –

Die Grafen Lucar, Sanvitale, lad

Zu mir.

LEPORELLO.

Ein Spielchen also?

DON JUAN.

Ja, mein Guter,

Und Wein! – Auf Einer Karte, Einem Blättchen,

Das ganze Geld, das ganze Leben schwebend,

Dem Sturme des Geschickes preis geboten,

Das nenn ich zeitvertreibenden Genuß!

Laut jauchz ich, flög auch alles in die Luft!

Der Einsatz war just dieses Wagstücks wert, –

Và banc der Possen!

LEPORELLO.

In zwei Nächten schlieft

Ihr nicht.

DON JUAN.

Pfui Pfui der Schlaf. – Die Zeit, die man

Nicht schläft, heiß ich dem Tode abgewonnen –

Die Augen offen, gleich nie müden Sonnen!


Ab


LEPORELLO.

Der Mensch ist unersättlich im Genusse –

Und wirklich, wär ich nur in seinem Stand

Und Reichtum – höchstens wär ich noch einmal

So schlimm als Er! – Nun zu dem Sanvitale!


Ab.
[429]


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 417-430.
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