Dritte Szene

[402] Paris. Platz vor dem kaiserlichen Marstall.

Drei kaiserliche Piqueurs treten auf.


ERSTER PIQUEUR. Den jungen Araber vor.

DRITTER PIQUEUR. Das arme Geschöpf!


Geht ab.


ERSTER PIQUEUR. Was hilft das Bedauern? Der Kaiser zieht vermutlich ins Feld, reitet schnell, aber schlecht, und wir müssen das Tier mit unsrem Unterricht so lange quälen, bis wir sicher sind, daß es ihn nicht abwirft.

DRITTER PIQUEUR kommt mit dem Pferde zurück. Da ist der Araber.

ERSTER PIQUEUR. Ein treffliches Gewächs! – Hussa, über den Block!


Das Pferd setzt über einen Holzblock.


Ha! muckt die Kreatur? – Sie zuckte bei dem Übersetzen mit dem linken Vorderbein.


Er schlägt heftig auf das Pferd.


DRITTER PIQUEUR. Schone das Tier!

ERSTER PIQUEUR. Eh, junger Mensch – kennst du den Kaiser genau?

DRITTER PIQUEUR. Nein. Ich bin ja erst seit drei Tagen in seinem Dienst.

ERSTER PIQUEUR. So wisse, er haut bisweilen mit seiner Reitpeitsche ärger auf seinen Piqueur als dieser auf sein Pferd, wenn es nicht so sicher springt als dieses da lernen soll.

ZWEITER PIQUEUR. Es ist wahr, – ich weiß es von Eßlingen her.

ERSTER PIQUEUR. Die geladnen Pistolen! Er schießt zwei Pistolen vor den Ohren des Pferdes ab. Es bäumt sich – Prügelt es! Es geschieht. Die Kanonen herbei. Ein Kommando der Artillerie fährt mit einigen Kanonen vor. Das Pferd mitten unter die Geschütze – Brennt ab! Es[402] geschieht. Schlagt den Gaul – Er zittert!

DRITTER PIQUEUR. O Gott, das unselige Pferd!

ERSTER PIQUEUR. Es muß mit dem Kaiser in die Schlacht, und da gilt keine Furcht vor Geknall. – Bajonette her – Blinzelt ihm damit dicht vor den Augen. Es geschieht. Ah, da erschrickt es nicht mehr.

ZWEITER PIQUEUR. Bravo, Araber!

ERSTER PIQUEUR. Pst! Laß das Schmeicheln – Es möchte sich verwöhnen – Der Kaiser schmeichelt ihm auch nicht. – Jetzt setze dich darauf und tumml' es in die Runde bis es über und über Schweiß ist!


Der zweite Piqueur tut es.


So – so – – Und nun mit ihm in die Schwemme, wo das Wasser am kältesten – Auch die Sporen in seine Seiten, daß es lernt, wie sein Blut fließt.


Zweiter Piqueur mit dem Pferde ab.


Bei Gott, des Kaisers Pferd sein, ist ebenso schwer als sein Piqueur oder sein Minister. – Teufel, da kommt der Oberstallmeister – Gewiß wieder Befehl über Befehl, einer eiliger als der andere – Unter dem Kaiser sind die Stunden tausendmal kleiner als die Geschäfte.

OBERSTALLMEISTER mit Gefolge, zu Pferde. Erster Piqueur, in einer Stunde mit allen Reitpferden und Feldequipagen im schnellsten Marsch nach Laon. Dort das Weitere.

ERSTER PIQUEUR. Hab ich Zeit zum Abschied von Frau und Kind?

OBERSTALLMEISTER. Nein.

ERSTER PIQUEUR. Auch gut. So spar ich meine paar Tränen für schicklichere Gelegenheit. – – Aber das ist verflucht, Herr Oberstallmeister: mein bester Kollege ritt eben mit dem besten Gaul in die Schwemme, und kehrt kaum in einer Stunde – – Doch wartet – Ich hol ihn ein, oder –


Zum dritten Piqueur.


Den Soliman aus dem Stall, – ist er auch der eigensinnigste, steifste aller Gäule, so ist er doch zugleich der tollste und schnellste, beinah wie –


Dritter Piqueur führt das Pferd Soliman vor.


ERSTER PIQUEUR sich auf den Soliman setzend. Herr Oberstallmeister, der Kaiser liefert binnen vierzehn Tagen eine große Bataille, oder ich kenne seine Marstallsgebote sehr schlecht.


Er braust mit dem Pferde davon.
[403]


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 2, Emsdetten 1960–1970, S. 402-404.
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