Fünfte Szene

[265] Buschiger Wald. Abend.

Der Schulmeister kommt mit einem riesigen Vogelbauer auf dem Rücken.


SCHULMEISTER. Die Sonne ist untergegangen, die müde Welt hat die gestirnte Schlafmütze aufgesetzt, die eine Erdenhälfte scheint jetzt tot, böse Träume schrecken hinterm Vorhange den unbeschützten Schlaf, die Zauberei beginnt den furchtbaren Dienst der bleichen Hekate, der Mord geht, aufgeschreckt von seinem heulenden Nachtwächter, dem Wolfe, mit weit ausgeholten Räuberschritten an sein entsetzliches Geschäft, der Schmied hat mir einen Käfig zurecht gezimmert, hier in diesem buschigen Dickichte will ich ihn aufstellen, aus der Ferne schallen die Axtschläge des holzstehlenden Teufels herüber, und ich müßte mich sehr trügen, wenn ihn nicht die magische Einwirkung von sechzehn Kodons hieherlocken sollte!


Er setzt den Käfig in das Gebüsch, macht die Tür auf, legt die Kodons hinein, und tritt auf die Seite. – Pause.[265] Der Teufel kommt schnüffelnd.


SCHULMEISTER. Ha, da ist er schon! Wie es ihm in die Nase sticht!

TEUFEL. Ich rieche hier zweierlei! Links etwas Unzüchtiges, Kinderverhinderndes, – rechts etwas Versoffenes, sich mit Kindern Beschäftigendes.

SCHULMEISTER. Schwerenot, das ist doch keine Anspielung auf mich?

TEUFEL indem er auf die Kodons zugeht. Das Unzüchtige zieht mich gewaltig an, Sich nach dem Schulmeister wendend. aber auch das Versoffene kirrt mich nicht minder, – Stehenbleibend. wenn ich nur wüßte, welches von beiden das Inmoralischste wäre! Er schnüffelt stärker.

SCHULMEISTER in großer Angst. Alle Henker, mein Gewissen!

TEUFEL. Ich habs heraus: das Versoffene, sich mit Kindern Beschäftigende zu meiner Rechten ist das Schlimmste, und das Unzüchtige, Kinderverhindernde zu meiner Linken ist, damit verglichen, die wahre Unschuld!


Er eilt auf den Schulmeister zu.


SCHULMEISTER weicht immer im Kreise vor ihm zurück. Kreuz – Sapperment, nun bin ich in einer saubren Patsche! Daran dachte mein Herz nicht, daß ich schuldvoller wäre als wie ein Kodon! Es ist auch nur bloße Verleumdung von dem malitiösen Herrn Mephistopheles! – Gott sei Dank, da sitzt ein abgebrochenes Stückchen von einem Kirchenstuhle, welches ich vergangene Nacht in der Besoffenheit eingesteckt haben muß, in meiner Rocktasche! Das will ich ihm entgegenhalten und ihn damit zurückscheuchen! Er tut es.

TEUFEL prustet und prallt zurück. Puh! das Versoffene hat sich mit einem abgebrochenen Kirchenstuhlstückchen verbessert! Puh! – Ne, da wende ich mich lieber wieder zu dem Unzüchtigen, obschon es das Moralischere ist! Er läuft begierig in den Käfig, und wie er eben die Kodons in der Hand hat, springt der Schulmeister herbei und schlägt hinter ihm die Tür zu.

TEUFEL aufschreiend. Element, man sperrt mich ein, ich bin gefangen! [266] Heftig an den Stäben rüttelnd. Vergebens, vergebens! Die Stäbe sind kreuzweis gelegt, ich kann sie nicht entzweibrechen! Er erblickt den Schulmeister. O du halunkischer, spitzbübischer, hundsföttischer – Nein, ich wollte sagen, du holder, liebenswürdiger, guter Mann! o laß mich wieder los! laß mich wieder los!

SCHULMEISTER. Prosit Mahlzeit! Mit Speck fängt man Mäuse, mit Kodons den Teufel! Er nimmt den Käfig auf die Schultern und trägt den Teufel darin fort.


Der Freiherr Mordax tritt mit seinen Spießgesellen auf.


FREIHERR räuspert sich, spuckt aus, und beginnt seine Anrede. Ihr Herren Spießgesellen! Die Baronesse Liddy verweilet drüben im Waldhäuschen zu Lopsbrunn! Alldieweilen sie in der Güte meine Brautwerbung nicht akzeptieren will, bin ich entschlossen, sie mit eurer Beihülfe par force zu entführen! – Habt ihr eure Mähnen über eure Galgenphysiognomien gekämmt, damit ich keine Schande mit euch einlege?

DIE SPIESSGESELLEN. Ja.

FREIHERR. Schön!


Sie gehen ab.


MOLLFELS kommt mit drei bewaffneten Bedienten. Es streichen verdächtige Haufen durch den Wald, – Fräulein Liddy und ihr Onkel sind in Lopsbrunn, – ich fürchte, ich fürchte, daß ein Anschlag gegen sie im Werke ist! Zu den Bedienten. Ladet eure Pistolen; vielleicht gibt es Gelegenheit, sie einigen Schurken auf die Haut zu brennen!


Sie laden die Pistolen und gehen ab.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 265-267.
Lizenz:
Kategorien: